Immer mehr Bereiche unseres Lebens spielen sich "im" Computer ab. Anfangs war der Computer eine bessere Schreibmaschine, doch heute decken Computer, Smartphone und vor allem das Internet unglaubliche viele Bedürfnisse in einem Gerät ab - beruflich und privat.
Früher haben wir echte Bücher gelesen, Fotos mit einem Fotoapparat gemacht, Briefe auf Papier geschrieben, Rezepte aus Kochbüchern gekocht, den Urlaub im Reisebüro gebucht, Zeitung gelesen, und bei einem Projekt haben sich alle Beteiligten tatsächlich getroffen, wenn sie miteinander gearbeitet haben. Die Musik kam aus dem CD Spieler und apropos spielen - die Spiele waren Brettspiele, um die sich ein paar Leute in echt um einen Tisch versammelt haben. Filme wurden gemeinsam vor dem Fernseher angeschaut. Freunde waren auch echt - und nicht virtuell. Mit Freunden in Kontakt sein ging nur analog - indem man sie getroffen hat. Telefonisch erreichbar war man zu Hause - und sonst eben nicht. Zum Navigieren gab es Landkarten und für die Zeit eine Armbanduhr.
Wo bin ich den ganzen Tag?
Heute brauche ich diese ganzen verschiedenen Geräte und Medien nicht mehr. Es ist ja alles im Computer zu finden. Es ist ja auch sehr praktisch, daß Computer und Smartphone heute alle diese Dinge in einem Gerät vereinen können, und auch faszinierend. Der Computer beherrscht nicht nur unseren Berufsalltag. In Form des Smartphones reist er überall mit uns - und zu Hause steht er auch. Oft ein Computer für jedes Familienmitglied oder zumindest ein Smartphone für jedes Familienmitglied.
Das klingt auf den ersten Blick nicht so dramatisch. Man spart sich ja auch die ganzen anderen Produkte, die man jetzt gar nicht mehr kaufen und besitzen muß. Doch daß alles im Computer zusammen läuft, führt zu einem Phänomen, das sich so schleichend in unser Leben gefressen hat, daß wir es kaum bewußt wahrgenommen haben.
Wir sind den ganzen Tag am oder in gewisser Weise "im" Computer. Oft ist der Computer und das Smartphone das Erste, was morgens aktiviert wird, und das Letzte was am Tag wieder geschlossen wird. Eltern finden es nicht gut, wenn ihre Kinder Computerspiele spielen, und merken selber nicht, daß sie ihren Kindern ein Leben im Telefon und im Computer vorleben und das Kind so gar keine andere Chance hat, weil es gar keine andere Welt kennenlernt. Es gibt mittlerweile schon psychische Erkrankungen und Entwicklungsstörungen von Kindern, weil ihre Eltern sie nicht mehr wahrnehmen, da sie selber ihr Leben in Kontakt mit Computer und Smartphone verbringen, statt in Kontakt mit ihren Kindern.
Zudem vereinen sich im Computer zumeist Arbeits- und Privatwelt in einer Weise, in der man oft nicht mehr genau unterscheiden kann - bin ich jetzt eigentlich privat, oder arbeite ich?
Die Begegnung mit der Wirklichkeit
Was das mit sich bringt ist, daß wir unser Leben mehr und mehr virtuell erleben. Wir tauchen immer weniger in der realen Welt auf, obwohl wir in ihr eigentlich leben. Wir befinden uns in der virtuellen Wirklichkeit unserer Computer und haben ganz virtuell Kontakt zu unseren Freunden über email, Facebook und Twitter. Dabei merken wir gar nicht, daß wir dabei die ganze Zeit alleine sind - mit unserem Computer.
Die sogenannten sozialen Netzwerke sind in Wirklichkeit asoziale Netzwerke. Denn in der ganzen Zeit in der wir uns in ihnen aufhalten, sind wir keinem einzigen Menschen wirklich begegnet.
Oft verbringen wir mit Niemandem den wir kennen so viel Zeit wie mit dem Computer und dem Smartphone. Unser Beziehungsleben wird durch Smartphone und Computer tatsächlich oft in die zweite Reihe gedrängt. Das heißt, wir begegnen uns auch zu Hause immer weniger, weil wir auch da oft mehr Zeit mit Computer und Smartphone in Beziehung sind als mit den Menschen, die uns am nächsten sind.
Ein Leben ohne Computer und Mobiltelefon
Letzten Sommer habe ich mit meiner Familie einen ganzen Sommerurlaub ohne Smartphone, Computer und Internet verbracht. Wir wollten das mal ausprobieren. Es schien uns eine gute Idee. Die Erfahrung selber war brillant - doch etwas anderes wahr sehr erschreckend. Ohne Computer und Smartphone zu sein hat unsere Aufmerksamkeit sehr darauf gelenkt, wie Menschen um uns herum mit Smartphones umgehen.
Wir fahren in der U-Bahn - kein Mensch sieht den Anderen. Jeder verschwindet in seinem Smartphone. Wir sitzen im Lokal und sehen Familien, die ein ganzes Essen ohne ein Wort zu wechseln damit verbringen, daß jeder in sein Smartphone schaut. Wir sehen ein junges Paar, die sich erst gut unterhalten. Dann zieht einer der Beiden sein Smartphone heraus - 10 Sekunden später der andere - und die Unterhaltung ist vorbei.
Wenn man selber gerade ganz abstinent ist, hat das oftmals eine fast gespenstische Wirkung. Die Menschen und ihre Lebendigkeit scheinen tatsächlich in ihren Smartphones zu verschwinden - in einer Art Energieblase - und nicht mehr da zu sein.
Was machen wir da mit unserem Leben und unseren Beziehungen?
Womit sind wir in Beziehung?
Bei uns zu Hause das gleiche Bild. Nach dem Essen setzt sich jeder an seinen Computer. Meine Frau und ich arbeiten viel mit dem Computer und privat liegt ja auch alles drin. Wozu also noch etwas anderes machen als in den Computer schauen? Und was soll unsere Tochter schon machen, wenn wir in den Computer schauen - sie schaut in den Computer.
Jetzt kommt mir unser zu Hause auch schon gespenstisch vor. Als wir darüber reden wird uns klar, daß wir alle das Gleiche erleben. Wenn sich mal einer an den Computer setzt, dann ist er weg. Er ist nicht mehr ansprechbar - nicht mehr für den anderen erreichbar. So reagiert der Nächste damit, daß er sich an den Computer setzt, und was bleibt dem Dritten dann schon übrig. So sitzt jeder alleine vor seinem Computer, erlebt keine Gemeinschaft, und hat das Gefühl, daß es keinen Sinn macht den anderen zu etwas zu animieren. Oder wenn man das machen will, zeigt man sich auf einmal gegenseitig Dinge im Computer - und ist schon wieder im Computer.
Je mehr Bedürfnisse durch etwas erfüllt werden, desto höher ist der Suchtfaktor. Das ist eine ganz allgemeine Regel. So ist es nicht verwunderlich, daß wir alle Computer- und Smartphonesüchtig werden.
Egal welches Bedürfnis man gerade hat - im Computer findet sich schon irgendwas, das einen unterhält. Noch mal die Fotos vom Urlaub anschauen, eine Dokumentation sehen, ein Spiel spielen, doch noch ein berufliches mail schreiben, dann noch ein paar lustige Youtube Videos und all die Freunde auf Facebook - und schon ist der Abend vorbei. Irgendwas wurde durch den Computer befriedigt - aber man fühlt sich doch seltsam unbefriedigt und alleine.
Denn Zeit im Computer ist Zeit ohne Beziehung.
Der Deckel des Laptops schließt sich und kurz später schließen sich auch die Augenlider. Das Smartphone weckt uns am nächsten morgen, und wenn man den Wecker ausmacht, schaut man schon mal das Wetter für den Tag an, und wirft einen Blick in die Nachrichten, statt erst mal Kontakt mit sich selber aufzunehmen, oder mit irgendjemandem, der mit einem in der Wohnung ist - ein neuer Tag beginnt.
Mir scheint es tatsächlich so, daß wir uns im Moment an einem Punkt befinden, an dem wir ein Bewußtsein dafür entwickeln müssen, welchen Teil unserer Wirklichkeit wir im Computer leben wollen und welchen Teil unseres Lebens wir real mit Menschen in der Wirklichkeit Beziehung erleben wollen. Computer und Smartphones saugen uns aus der realen Welt in eine Parallelwelt, in der wir nur scheinbar leben.
Wozu wollen wir unsere Computer und Smartphones nutzen?
Ich bin selber fasziniert davon was ein Computer einem heute als Lern- und Erlebniswelt alles bietet, und bin der Meinung, daß das Internet das demokratischste Medium ist, das je erfunden wurde. Ein Medium, das Wissen allen überall und gleichzeitig zugänglich macht. Es ist unglaublich praktisch, welche Dinge mit und über den Computer heute möglich sind, und in welcher Einfachheit wir Dinge machen können, die früher kaum oder gar nicht möglich waren.
Nur eines stellt sich dabei nie ein - daß wir mehr Zeit haben. So Vieles kann man heute mit dem Computer schneller machen als früher - und bei all den Dingen wird uns versprochen, daß wir dadurch mehr Zeit haben. Doch die Wirklichkeit zeigt, daß unser Empfinden gegenteilig ist. Wir haben für nichts mehr richtig Zeit. Wenn etwas Zeit braucht, fühlen wir sofort Unbehagen. Vielleicht auch dadurch, daß wir ja im Computer für nichts mehr Zeit brauchen, und uns mittlerweile vorkommt es muß was falsch sein, wenn Dinge dauern.
Computer haben diese Eigenschaft uns in ihrem Bann halten zu können und uns süchtig zu machen. Oft schaue ich am Tag fünfmal Nachrichten - als ob ein mal nicht genügen würde. Ich merke bei jedem mal, daß daran eigentlich etwas unangenehm ist - doch ich mache es weiter.
Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen zu entscheiden, einen wie großen Platz er dem Computer und dem Smartphone in seinem Privatleben geben will. Und sich zu entscheiden, wie wichtig ihm das tatsächliche Leben und die tatsächlich stattfindenden Begegnungen und Erfahrungen sind.
Beziehung und Zugehörigkeit
Beziehungen und Zugehörigkeit sind das, was uns am Leben erhält, und unserem Leben Sinn gibt. Der Computer kann uns davon nur eine virtuelle Version geben, die letztendlich leer ist. Über ein Youtube Video lachen ist nicht das Gleiche wie mit Freunden um einen Tisch herum zu sitzen und zusammen zu lachen. Und so lassen uns diese beiden unterschiedlichen Erfahrungen auch mit ganz unterschiedlichen Gefühlen zurück. Der Computer schafft die Illusion von Verbindung, doch in Wirklichkeit vereinsamen wir.
Im Eintrag Askese schreibe ich darüber, welchen Weg ich gerade im Moment einschlage, um für mich wieder mehr Leben und Erfahrung an die Stelle von Smartphone und Computer setzen möchte. Der Eintrag beinhaltet eine Einladung für eine Übung zum achtsamen Umgang mit Smartphone und Computer.