Hektische Geschäftigkeit, immer mehr Dinge zu tun zu haben als sich eigentlich ausgehen, nie das Gefühl zu bekommen, daß Ruhe und Zeit für sich selber wirklich möglich ist - immer damit in Kontakt sein was noch liegen geblieben ist - oder wessen Bedürfnisse noch nicht erfüllt sind - das ist ein Lebensgefühl, in das man nur zu leicht hineinrutschen kann.
Werden die Aufgaben, Erledigungen, Verpflichtungen erst mal so viele und so groß, verlieren wir schnell aus dem Blick wie es uns eigentlich geht - was wir für uns eigentlich brauchen - was unsere eigenen Bedürfnisse an einem beliebigen Tag sind.
Denn das was wir zu tun haben, bestimmt uns. Für uns selber ist da sozusagen kein Platz mehr.
Ab und zu am Abend sitzen wir am Sofa und sehen uns als Opfer der Umstände, aus denen es kein Entrinnen gibt. Und dann wollen wir auch schon nicht mehr so genau hinschauen und tun einfach noch was.
Sein aus dem Tun
Wenn ich erst mal so im ständigen Tun gelandet bin, ist es fast unmöglich wieder ins einfache Sein zu kommen. In ein Gefühl, daß es genügt zu sein. Daß es okay ist auch mal nichts zu tun, nichts zu leisten. Daß ich einfach so wie ich bin, genüge und daß es schön ist einfach da zu sitzen, mit mir zu sein und dabei Ruhe zu empfinden. Gelassenheit in mir zu finden.
Wenn wir glauben, daß wir nur dieses und dann dieses und dann noch dieses machen können - und "dann" kommen wir zur Ruhe, dann kommen wir in der Ruhe nie an. Wenn wir dem Tun und Erledigen und funktionieren die Priorität geben, dann bestimmen sie unser Leben und unser Sein wird uns fremd. Unsere Bedürfnisse werden uns fremd. Wir spüren uns nicht mehr. Wir spüren unseren Körper nicht mehr, weil er so angespannt ist - wir verlieren den Kontakt und die Beziehung zu uns selber.
Zu glauben, wenn ich nur fleißig genug bin, dann kann ich mir meine Ruhe erarbeiten stellt sich immer wieder als Trugschluss heraus. Das Sein aus dem Tun findet man in der Regel nicht. Wahrscheinlicher ist, daß sich aus dem Tun ein Blick auf weitere Dinge ergeben, die auch noch zu tun sind. Die Liste wird immer länger.
Mit dem Dauerstress, in dem wir meist sind, können wir uns über lange Zeit verlieren. Was uns wichtig ist - was unsere inneren Werte sind - was uns ganz persönlich gut tut. Wir stehen sozusagen nicht auf unserer To Do Liste.
So wird uns unser Sein fremd. Wenn wir in Urlaub fahren, brauchen wir eine Woche bis wir halbwegs bei uns sind und werden vielleicht vor Erschöpfung noch krank. Dann haben wir eine Woche, in der wir ganz bei uns sind - und in der dritten Woche sind wir in Gefühlen und Gedanken schon wieder bei den To Do's und Verpflichtungen, die uns erwarten, wenn wir zu Hause sind.
Vom Sein ins Tun
Achtsamkeit ist die Kunst im Augenblick zu sein - mit sich selber - ohne Urteil, ohne Anspruch und ohne Erwartung. Einfach zu sein.
Vom Sein ins Tun zu kommen ist der Weg der Achtsamkeit.
Dabei gibt es gegenüber dem Tun kein Urteil.
Daß wir geschäftig sind, daß wir uns um Dinge kümmern und sie erledigen ist gut und wichtig. Nur sind wir aus dem Gleichgewicht. Das Tun bestimmt unser Leben und das Sein verschwindet. Dafür gibt es viele Gründe in einer Gesellschaft, deren Rhythmus stetig schneller wird.
Langsamkeit, Pausen und Zeiten, die nur uns gehören kommen uns im Alltag abhanden.
Die interessante Beobachtung ist - wenn ich dem Sein in meinem Leben auch einen Platz gebe, verändert sich mein Tun.
Ich mache dann andere Dinge, treffe andere Entscheidungen und werde mutiger, das was zu viel ist zu lassen oder anders zu lösen. Ich komme bewusst damit in Kontakt, wie es mir geht. Wie müde oder erschöpft ich vielleicht bin, welche Bedürfnisse ich für mich habe. Und in der Ruhe des Seins tauchen zudem oft alternative Lösungsmöglichkeiten für Probleme auf, die mir in der Hektik des Alltags nie einfallen würden.
Die Perspektive des Seins bereichert die Qualität meines Tuns.
Wenn es mir gelingt, den Tag ganz bewusst aus dem Sein zu starten, werde ich mein Tun im Laufe des Tages anders erleben. Und ich kann vielleicht noch eine verblüffende Beobachtung machen. Nicht nur bin ich mit meinen Bedürfnissen besser in Kontakt und gehe mit mir selber besser um und werde ruhiger und gelassener - ich werde wahrscheinlich auch effizienter.
Verlieren wir uns im Stress des Alltags, scheint alles Tun gleich wichtig und wir verlieren den Blick für das Wesentliche. Sowohl dafür was uns selber wesentlich ist - als auch was für die Sache wesentlich ist.
Daher arbeiten wir oft schnell und viel, sind aber nicht unbedingt effizienter.
Übung
Wenn ich lange nicht mehr ins Sein gekommen bin, ist es mir ungewohnt. Und daher fühle ich mich in meinem Sein auch nicht gleich wohl. Sobald ich ins Sein komme, spüre ich meine innere Unruhe - komme ganz in bewusst in Kontakt mit allem Unerledigten - auch mit dem emotional Unerledigten in mir.
Langsam ins Sein zu finden und sich langsam daran zu gewöhnen diese Perspektive zulassen zu können, ist angemessen.
Einen ganz individuellen Weg zu finden, wie ich im Lauf des Tages zu mir finden kann. Durch Meditation, Yoga, Spazieren gehen, aus dem Fenster schauen, oder einfach nur die Augen schließen und bewusst zu atmen oder Ähnliches. Alles ist gleich gut, um zu mir zu kommen - solange ich es mache.
Wichtig ist dabei nur die Regelmäßigkeit. Und die klare Absicht damit anzufangen - ganz konsequent.
Ich habe mal einen Menschen getroffen, der mir erzählt hat, daß er jetzt seit Monaten täglich meditiert. Als ich ihn gefragt habe, wie lange er da täglich meditiert, da hat er gesagt, täglich zwei Minuten direkt nach dem Aufwachen - noch im Bett liegend.
Ein guter Einstieg ins Sein !!
Jeden Tag in der Früh zwei Minuten - oder 5 Minuten nur bei sich zu bleiben - ohne schon daran zu denken was getan werden muss. 5 Minuten, in denen ich mich einfach nur frage - wie geht es mir heute? Wie erlebe ich mich? Was spüre ich, welche Gefühle sind da, wenn ich die ersten 5 Minuten meines Tages ganz bei mir bin.
5 Minuten einfach mit mir selbst sein.
Egal welches Ritual für dich passend ist - ich spreche hier die Einladung aus für dich selber zu entdecken, ob das Sein das Tun bereichert. Regelmäßig ein, zwei Wochen diese Übung für dich zu machen.
Wenn das Tun durch das Sein positiv bereichert wird und dadurch mehr Lebensqualität entsteht, entsteht die Motivation die Praxis der Achtsamkeit weiter zu erforschen von ganz allein.
Und damit wird der Anteil des Seins Stück für Stück größer - bis eines Tages das Tun und das Sein sich gegenseitig gut nähren.