Achtsame Kommunikation fußt, wie alles in der Achtsamkeit auf der bewussten Wahrnehmung des Augenblicks. Das geht oft einher mit Verlangsamung - und damit, daß ich mein sofortiges Reagieren hintan stelle. So ist es auch beim achtsamen Dialog.
Verlangsame ich im Dialog mit einem Freund, einer Freundin, meinem Partner oder einem Kollegen, bin ich schnell beim vertieften Zuhören - der wichtigsten Qualität, wenn ich mein Gegenüber und seine Bedürfnisse wirklich verstehen möchte.
Bin ich achtsam, bleibe ich dabei auch mit meinen eigenen Bedürfnissen verbunden.
Das Bild mit dem Jungen und dem Vogel habe ich gezeichnet, weil für mich die größte Qualität eines achtsamen Gesprächs ist, wenn ich versuche die Welt aus der Sicht von jemandem zu verstehen, der ganz anders ist als ich.
Zuhören können
Zuhören können ist dabei eine ganz wesentliche Fähigkeit. Zuhören in dem Willen die Welt des anderen aus seiner Sicht verstehen zu wollen. Das gelingt vor allem dann, wenn ich meinem Gegenüber den Raum geben kann zu erzählen, ohne ihn zu unterbrechen.
Diese Form intensiv zuzuhören, bevor ich etwas sage, ist etwas, was in unserer Kultur sehr ungewohnt ist. Meist sagen wir ein, zwei Sätze und es kommt schon ein erster Ratschlag.
Wo Zuhören wirklich gelingt, führt es wie von allein in Beziehung.
Gelingt es mir diesen Raum zu geben, wächst auch die Bereitschaft meines Gegenübers mir meinen Raum zu geben. Und so entsteht ein vertiefter Austausch, der sehr befriedigend ist.
Oft hat man das Gefühl, man müsse unbedingt unterbrechen, weil man etwas Wichtiges zu sagen und beizutragen hat. Bleibt man aber stattdessen im Zuhören, macht man irgendwann die Entdeckung, daß man erst richtig versteht, worum es dem Anderen eigentlich wirklich geht.
Während ich zuhöre, komme ich auch in eine vertiefte Beziehung zu mir selber und meiner Intuition. So kann ich nach längerer Zeit des Zuhörens und Nachfragens Dinge sagen, die in Bezug auf das Thema und den Menschen mir gegenüber wesentlich sind. Zuhören schafft wirkliche Begegnung.
Die Haltung im achtsamen Gespräch
Die achtsame Haltung bringt Grundwerte in das Gespräch. Je bewusster ich mir dieser Grundwerte bin, desto besser gelingt Beziehung in Kommunikation.
Daher folgt hier eine kleine Auflistung der achtsamen Grundwerte in der Begegnung. Wenn man sie sich so einzeln vor Augen führt, wird klar, wie sie zusammen genommen in gute Beziehung führen.
Die folgende ganz essentielle Zusammenfassung kommt von meiner guten Freundin Susanne Tunner, bei der ich in Wien regelmässig die von ihr und ihrem Mann organisierten Dialogkreise besuche.
Erkunden
Ich will mein Gegenüber verstehen. Ich bin neugierig und achtsam. Ich stelle echte, aufrechte Fragen.
Annahmen und Bewertungen in der Schwebe halten
Ich löse mich von vorgefertigten Vorstellungen. Ich hinterfrage meine Annahmen. Ich beobachte meine Gedanken und Gefühle - ohne sie aussprechen zu müssen.
Empathisch zuhören
Ich höre zu - und sonst nichts. Ich lasse das Gehörte auf mich wirken. Mein Zuhören lässt in mir Neues entstehen. Ich höre auch das, was zwischen den Worten ist. Ich höre auch mir zu. Ich höre auf mein Inneres.
Offen sein
Ich bin in Kontakt mit mir selbst. Ich entscheide, wie offen ich sprechen möchte. Ich bin ohne Vorurteil. Ich lasse mich auf mein Gegenüber ein. Ich vertraue.
Verlangsamen
Es ist für alles Zeit. Ich halte inne, mache Pausen, ich bin ganz da. Ich entspanne meinen Körper und meinen Geist. Ich bin in meiner Mitte.
Eine lernende Haltung einnehmen
Ich weiß nichts. Ich mache mich leer. Ich bin lebendig und neugierig. Ich bin demütig und mutig. Ich lasse mich überraschen. Ich lasse alles auf mich wirken. Ich habe Anfängergeist.
Radikalen Respekt haben
Alles gehört dazu. Die Welt ist ein ungeteiltes Ganzes. Alle dürfen so sein wie sie sind. Ich selber auch. Ich schätze jeden in seiner Eigenart. Ich kann andere Standpunkte einnehmen. Aus Achtung vor dem anderen will ich ihn verstehen.
Sich kurz fassen, wesentlich sein
Ich spreche das aus, was mir wirklich wichtig ist. Weniger ist mehr.
Gleichwertig sein
Jeder kommt zu Wort. Jede Stimme wird gehört. Alle sind gleich wichtig. Ich bin mit allen auf gleicher Augenhöhe. Ich bin wichtig - statt: Ich mache mich wichtig.
Vom Herzen sprechen
Ich bin authentisch. Ich spreche meine Wahrheit aus. Ich bin frei, etwas zu sagen. Ich mache mich sichtbar.
Übung
Achtsame Kommunikation ist eine Kunst in sich. Sie widerspricht unserer schnellen Alltagskommunikation. Man muss sich erst daran gewöhnen Kommunikation so zu verlangsamen. Daher hier eine kleine Übung, die ich jederzeit mit einem guten Freund, einer guten Freundin oder meinem Partner machen kann, um kennen zu lernen wie sich ein achtsames Gespräch anfühlt.
Setze dich mit deinem Partner, einem guten Freund oder einer guten Freundin zusammen und übe achtsame Kommunikation ganz bewusst in einer vorgegebenen Form aus der Achtsamkeit. Diese Form heißt Dyade.
Die Frage, um die es bei der Dyade geht, kann zum Beispiel sein: "Was ist mir wichtig?" Beide Seiten haben jeweils 10 Minuten zu sagen was ihnen wichtig ist, während das Gegenüber nur zuhört.
Nach den 20 Minuten gibt es einen Austausch über das was gesprochen wurde.
Diese Übung verbindet mit der Kraft, die im Zuhören liegt. Und sie verbindet mit der Tiefe, die entsteht, wenn man in Bezug auf ein Thema wirklich den Raum bekommt zu reden und sich im Reden selber über Dinge klar zu werden.
Diese Übung kann man mit jedem beliebigen Thema machen. Sie ist wie eine Redemeditation. Übt man sie, färbt sie Stück für Stück auf Alltagskommunikation ab.
Achtsame Kommunikation bringt in Beziehung. Mit dem anderen und mit sich selber. Das ist vielleicht die beste Motivation zum Üben.