Entspannung im Körper ist immer ein Zeichen von guter Selbstbeziehung. Der innere Freund ist aktiv, der innere Kritiker ruht. Bin ich entspannt, habe ich auch die besten Möglichkeiten, mit anderen gut in Beziehung zu sein. Ein entspannter Körper ist ein Resonanzkörper, in dem die Gefühle des Gegenübers gespiegelt werden. Dadurch kann ich fühlen, was mein Gegenüber fühlt und so entstehen Mitgefühl und Verständnis. Beide zusammen sind das Synonym für gute Beziehung zu anderen.
In der Entspannung bin ich mit allen Gefühlen verbunden
In der Entspannung kann ich flexibel und frei von einem Gefühl ins andere wechseln. Und in meinem ganzen Körper kann Energie frei fließen, weil sie nirgends blockiert wird.
Dadurch habe ich einen Energiekörper, der gleichzeitig meine Grenze macht. In entspanntem Zustand ist dieser Energiekörper wie eine Kugel um mich herum, die so groß ist, wie ich selber. Dieser Energiekörper wirkt wie eine große elastische Kugel. Ich bin gut geschützt, denn was von außen kommt, berührt mich nicht. Es wird in meiner Grenze weich abgefangen. Da ich mit allen meinen Gefühlen verbunden bin, kann ich jede Situation aus verschiedensten Perspektiven heraus betrachten und reflektieren.
Als Bild kann man sich das ungefähr so vorstellen.
So bin ich ein angenehmer, entspannter und herzlicher Zeitgenosse.
Was passiert bei Anspannung?
Anspannung ist immer Ausdruck von Angst. Angst bringt mich immer in Konflikt mit meinem Gegenüber. Sie löst aber auch gleichzeitig einen Konflikt in mir aus. Der innere Kritiker wird laut, der innere Freund verschwindet und ein Gefühl ergreift von mir Besitz, dass ich so nicht haben möchte.
Im folgenden Bild ist das so symbolisiert, dass ein Gefühl ganz groß wird. Und in der Anspannung schrumpft meine Grenze.
In einem angespannten Körper kann Energie nicht fließen. Daher verliere ich meinen Energiekörper. Wir erleben das so, dass wir unseren Raum verlieren. Alles wird eng und rigide. Und da die elastische Kugel um mich herum verschwindet, trifft und verletzt mich alles, was vom Gegenüber kommt, ganz direkt.
Das ist der körperliche Vorgang, wenn ich sage, meine Grenze ist verletzt.
Dadurch, dass ich meinen Raum und den Zugang zu meinen anderen Gefühlen verloren habe, schaut das Ergebnis dann so aus.
Der Selbstverlust ist damit symbolisiert, dass die ganzen Gefühle, die im entspannten Zustand zu mir gehören und deren Perspektiven, verschwunden sind.
In der Anspannung verliere ich biologisch als den größten Teil meines Selbst und damit auch die Fähigkeit mich selbst zu verstehen und mit mir mitzufühlen.
Meine Reaktion ist dann entweder nach außen gerichtete Wut, Reizbarkeit und dominantes Verhalten, oder Schwanz einziehen und ich schaue, dass ich schnell wegkomme. Egal, ob ich mein Gegenüber wegstoße und verjage (Kampf) oder ob ich vor ihm weglaufe (Flucht), bis ich in Sicherheit bin - beide Strategien dienen dazu, meinen Raum wieder herzustellen. Oder wie es so schön heißt "wieder zu mir zu kommen".
Doch leider sind beide Strategien aggressiv und autoaggressiv und wirken destruktiv auf Beziehung.
Kontrollverlust
In der Anspannung und Angst erlebe ich einen Kontrollverlust. Ich fühle mich ohnmächtig und als Opfer - egal ob ich flüchte oder kämpfe. Bottom up hijacking nennt man diesen Zustand in der Psychologie. Von unten - vom Reptiliengehirn entführt.
Was man hier schön sieht ist, dass sowohl die Aggression, als auch der Rückzug und die Autoaggression zwei gleichwertige Angstreaktionen sind. Beide können in diesem Zustand keine konstruktive Beziehung herstellen.
In diesem Zustand habe ich nicht Gefühle, sondern ein Gefühl hat mich. Und damit hat auch das Gefühl die Kontrolle übernommen und ich mache Dinge, die überhaupt nichts mit meiner entspannten Persönlichkeit zu tun haben.
Erst wenn ich meinen Raum wieder habe und die Energie wieder fließen kann, tauchen die Perspektiven meiner anderen Gefühle wieder auf, ich werde wieder ich selbst und kann wieder mit mir und anderen mitfühlend sein.
Aus der Sicht der Achtsamkeit ist wichtig zu wissen, dass ich mich aus diesem Zustand weder raus denken noch raus fühlen kann.
Das Einzige, was ich machen kann, ist diverse Strategien anzuwenden, die Anspannung in meinem Körper loszulassen, zu entspannen - und während der Anspannung nichts kaputt zu machen, was mir nachher leidtut. Das ist die Verantwortung, die ich mir und anderen gegenüber in Beziehung habe.
Gelingt es mir in der Anspannung und Angst meinen Fokus auf den Körper zu legen, mich über den Atem und bewusste Entspannung des Körpers selbst zu regulieren, ist das die beste Voraussetzung für eine gute Selbstbeziehung und eine gelungene Beziehung zu anderen.
Übung:
Achte beim nächsten Konflikt darauf, wie sehr dein Körper in die Anspannung geht. Die Bewusstheit dafür ist der erste Schritt, um mit Konflikt- und Angstsituationen anders umzugehen.
Im zweiten Schritt übe innezuhalten, nicht gleich zu reagieren und dich über den Fokus auf deinen Atem zu fokussieren. Lass bewusst Muskeln in deinem Körper los und entspanne dich körperlich, so gut wie das in der Situation möglich ist.
Achte darauf, wie du in den Situationen jeweils deinen Raum wahrnimmst, was mit deiner Grenze passiert und wie konstruktiv du Beziehungen gestalten kannst, wenn du deinen Raum wieder gefunden hast.
Auch wenn es hier einfach klingt. Das ist keine einfache Übung. Es hat schon einen Grund, warum Achtsamkeitskurse 8 Wochen dauern, um genau diese Fähigkeit zu üben. Aber als Einstieg ist es mal eine interessante Selbsterfahrung.