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Antworte nicht, bevor du die Frage gehört hast


Wenn uns jemand um Rat oder Hilfe fragt, antworten wir allzu oft lange bevor wir überhaupt die ganze Frage gehört haben.

Uns fällt etwas ein, das hilfreich sein könnte - und schon wollen wir es mitteilen. Wir unterbrechen den Anderen und präsentieren schon eine Lösung.

Doch wenn wir so schnell sind, dann haben wir das Wesentliche verpasst - die Frage.

Oft ist vielleicht unsere Lösung ganz super, aber der Fragende kann nichts mit ihr anfangen, weil es ja eigentlich gar nicht seine Frage war, die beantwortet wurde - und schon sind wir in einem Konflikt, dessen Ursache wir nicht kennen. Weil uns nicht bewusst ist, dass wir nicht gut zugehört haben.

Bei Kommunikation ist nichts wichtiger als Zuhören

Je länger wir zuhören, desto besser können wir wahrnehmen - nicht nur was der andere sagt, sondern auch worum es ihm wirklich geht. Für befriedigende Kommunikation ist das der einzig mögliche Weg. Wenn wir nicht lang genug zuhören, sehen wir unser Gegenüber gar nicht. Wir sind nur mit unserer Antwort in Kontakt.

"Wir werden dasitzen und so aufmerksam zuhören, dass wir wirklich wahrnehmen können, was die andere Person sagt, und auch was sie nicht sagt."

Dieser Satz von Thich Naht Hanh beschreibt für mich sehr gut, wobei es bei gelungener Kommunikation geht. Es geht darum den anderen wirklich zu verstehen.

Warum unterbrechen wir?

Oft ist es nur Ungeduld, die uns in dieses Verhalten bringt. Oft aber auch fehlende Achtung vor dem Gegenüber. Man traut dem Anderen nicht zu, dass er selber zur Lösung findet, und vielleicht nur darin Unterstützung braucht selber auf eine Lösung zu kommen, die für ihn passt.

Wenn man zu früh unterbricht, ist man kein guter Ratgeber, Freund, oder Helfer, denn man achtet sein Gegenüber nicht. Und das Gegenüber spürt das.

Das Bedürfnis wahrnehmen

Wenn jemand nicht nur unsere Frage versteht, sondern auch unser "Bedürfnis" erkennt, dann entsteht eine wirkliche Begegnung.

Was passiert, wenn ich jedem Menschen gegenüber die Achtung habe zuzuhören? Bis die Frage zur Gänze gestellt ist. Wenn ich dann vielleicht noch nachfrage, erst noch nachspüre, was ich da alles gehört habe - und erst dann antworte?

Ein Mensch, der einen guten Zuhörer vor sich hat, fühlt sich gesehen, und damit auch verstanden. Und wenn sich ein Mensch verstanden fühlt, dann entdeckt er im Reden oft Dinge, die ihm gar nicht bewusst waren, und empfindet so das Mitteilen oft schon als Hilfe und Erleichterung. Oft ist dann gar keine Antwort notwendig.

In dieser Art der Kommunikation muss sich der Fragende nie kleiner vorkommen, als der, den er um Rat fragt. In dieser Art der Kommunikation kann der Fragende ganz bei sich und seinem Gefühl bleiben und durch den Spiegel des Anderen zu einer Lösung finden, die für ihn gut ist. Er kann seine eigene Erfahrung machen und ist dem Gegenüber dankbar für Zuhören, Verständnis, und vielleicht auch für einen guten Rat, der in Kontakt zum Bedürfnis in der Frage entstanden ist.

 

Übung

Achte in den nächsten Tagen bei jedem Gespräch darauf, ob du die Geduld hast, die Frage ganz zu hören bevor du antwortest.

Achte darauf, wie schnell du eine Antwort hast, und wie wichtig es dir ist, sie anzubringen - auch wenn der Andere noch nicht ausgeredet hat. Achte darauf, ob allein die Konzentration darauf die Antwort nicht zu vergessen dich daran hindert, dem Gegenüber weiter zuzuhören.

Achte darauf, ob du mit deinem Gegenüber in Kontakt bist, während er redet. Dort, wo wir ganz beim Anderen sein können passiert etwas paradoxes - wir können dann auch ganz bei uns sein. Gleichzeitig.

Es gibt eine Grundhaltung in der Achtsamkeit: Innehalten, langsamer werden, in Beziehung gehen, spüren - sich selbst und das Gegenüber. Es gibt sogar Techniken der achtsamen Kommunikation, die eine Minute Pause lassen, bevor nach einer Frage eine Antwort kommt.

Dann hat jeder für sich die Möglichkeit zu spüren - mit sich selbst und dem Anderen in Kontakt zu kommen und aus diesem Kontakt zu reden.

Wenn man so kommuniziert, kann jeder hat etwas vom Anderen lernen und man begegnet sich auf Augenhöhe.


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