Es ist in der Achtsamkeit ganz wesentlich, zu erkennen, wie die Wahl meines Fokus meine Wirklichkeit bestimmt. Der Teil meines Gehirns, in dem meine Gefühle verwaltet werden, der unterscheidet nicht, ob etwas real passiert oder vorgestellt ist. Er unterscheidet nicht, ob etwas gegenwärtig, vergangen oder zukünftig ist. Unsere Gefühle reagieren einfach nur auf alles, worauf wir unseren Fokus lenken.
Lerne ich, meinen Fokus bewusst auszurichten, greift das ganz aktiv darin ein, in welcher Welt ich emotional lebe.
Heute möchte ich einen Fokus auswählen, der leider nicht so oft bewusst angesteuert wird, weil ein anderer Fokus häufig unbewusst angewählt wird.
Der Fokus darauf, was ich nicht habe
Worauf wir als Menschen unseren Fokus legen, hat ganz viel mit Gewohnheiten zu tun und diese Gewohnheiten sind mit unseren Persönlichkeiten verknüpft. Habe ich meinen Fokus immer wieder auf dem, was ich nicht habe und nicht kann, verbinde ich mich über den Ausschnitt von Realität immer wieder mit Gefühlen von Mangel, zu wenig, nicht genug, nicht zugehörig sein, Scham und so weiter.
Der emotionale Ausschnitt, den ich durch diesen Fokus anwähle, wird verstärkt. Die Gefühle, in die ich komme, achten ja bei jeder Gelegenheit darauf, was ich alles nicht habe. Sie bestätigen mir also ständig, dass die äußere Wirklichkeit meinem Fokus entspricht. Und so wird aus dem Fokus das, was man gerne eine self fulfilling prophecy nennt.
So bestimmt unser Fokus nicht nur unsere das, was wir von unserer äußeren Wirklichkeit wahrnehmen und wie wir sie interpretieren. Durch die self fulfilling prophecy bestimmt unser Fokus auch unsere Persönlichkeit und was unser Lebensgefühl ist.
Im Buddhismus heißt es zu Recht: "Achte auf deine Handlungen, sie werden zu Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal."
So hat der Fokus darauf, was ich nicht habe und nicht kann, einen hohen Preis. Er macht mich auch ängstlich und vermeidend und nimmt mir damit Lebensmöglichkeiten.
Der Fokus darauf, was ich habe
Erkenne ich, dass ich mit der bewussten Wahl meines Fokus einen Ausschnitt der Wirklichkeit verstärke, ist es interessant, eine Zeit lang "ganz bewusst" darauf zu achten, "was ich habe".
Dieser Blick darauf, was ich habe, ist oft deswegen verstellt, weil ich das, was ich habe als selbstverständlich ansehe und es mir daher nicht mehr auffällt. Doch wenn ich den Blick wieder darauf richte, was ich habe, was gelingt, was gut läuft, worauf ich stolz bin, was ich gut kann, was Gutes geschehen kann, was mir Sicherheit gibt, wo ich verbunden bin, wo ich Glück hatte, wo ich verbunden bin und so weiter - dann verbinde ich mich ganz automatisch mit guten Gefühlen.
Und mit den guten Gefühlen ist es wie mit den belastenden Gefühlen. Wenn ich in den Tag gehe, bestätigen mir auch meine guten Gefühle meine innere Realität. Ich treffe auf einmal nettere und herzlichere Menschen, weil ich selbst herzlicher bin und mich nicht bedroht fühle. Die Welt kommt auf mich zu, weil ich selbst offener bin. Ich sehe auch den guten und schönen Ausschnitt von Erfahrungen, auf die ich zugehe und nicht nur das, was mir vielleicht Angst macht und mich in Konflikt bringt.
So finde ich mit dem Fokus auf das, was ich habe, in eine natürliche Dankbarkeit, in ein Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit.
Von diesem Ort aus gelingen Selbstbeziehung und Beziehung zu anderen ganz natürlich. In dieser Haltung werde ich zur besten Version meiner Selbst.
Im Gleichgewicht sein
Das Gleichgewicht ist so ein wichtiger Aspekt der Achtsamkeit. Zwanghafter Positivismus führt dazu, dass ich alles ausblende, was nicht so gut läuft und dieses zwanghafte "alles positiv sehen müssen", ist wiederum ein Angstmechanismus.
Ein gesunder Ausgleich - beide Seiten sehen und fühlen zu können, damit bin ich mit der Realität am besten verbunden. Wenn ich merke, dass ich in einer Wolke von Negativität und von Ängsten verschwinde, dann geht es mir nicht gut und meine Realitätswahrnehmung ist verschoben. Das Negative fällt in unserer Wahrnehmung ohnehin stärker auf, weil es mit Gefahr verbunden ist. Und überall, wo Gefahr ist, wird der Fokus enger und unsere Aufmerksamkeit wird davon ganz vereinnahmt.
Deswegen kann es nicht schaden, aus dem Fokus darauf, was ich habe und was gelingt, eine tägliche Übung zu machen und damit bewusst mein Lebensgefühl mitzugestalten. Je öfter ich diese "bewusste" Gewohnheit wiederhole, umso öfter bin ich in Gefühlen, die mich mit den Möglichkeiten einer Situation verbinden, statt nur mit den Ängsten, die oft enge Scheuklappen aufhaben.
Und wie es der Buddhismus schon so richtig festgestellt hat - aus den Gewohnheiten wird Persönlichkeit.
Wiederhole ich diesen Fokus oft genug, wird es meine Persönlichkeit, mit Zuversicht und Freude in den Tag zu gehen. Im besten Fall kann ich dann auch schweren Aufgaben ausgeglichen begegnen.
Übung:
Am Ende meines Urlaubs habe ich mich etwas orientierungslos gefühlt. Wieder in die Arbeit einzutauchen, Blog zu schreiben, darüber nachzudenken, wie ich meinen Herbst gestalte, das hat sich alles fremd und weit entfernt angefühlt und ich hatte keine Motivation. Mein Leben hat sich ein paar Tage unangenehm und ziellos angefühlt und ich war voller Widerstände.
Einen Vormittag lang habe ich dann ganz bewusst den Fokus darauf gehalten, was ich habe und was gelingt. Und Stück für Stück habe ich gemerkt, wie sich meine Gefühle gegenüber dem Herbst und dem Beginn der Arbeit geändert haben.
Nicht nur konnte ich dann mit einem Gefühl von Freude auf die Arbeit und den Herbst zugehen, ich hatte auch auf einmal einen Plan für den Herbst und das nächste Jahr, worauf ich neben meinen Beratungen und Workshops einen Schwerpunkt setzen möchte. Es ging auf einmal wie von allein.
Egal, ob nur in deinem Kopf, oder als Tagebuch, als tägliche Notiz vor dem Schlafengehen, oder in Form eines Gesprächs, probiere für dich aus, welche Kraft es hat, dich mit dem zu verbinden, was du hast und was in deinem Leben gut läuft.