Wenn man Konflikt in der Tiefe erforscht, erkennt man, wie die Psyche auf Konflikte reagiert, die nicht gut repariert wurden.
Was bedeutet das, ein Konflikt wurde nicht gut repariert?
Konflikte passieren. Sie sind nicht zu vermeiden. Würde man seine ganze Kraft darauf legen, Konflikte zu vermeiden, würde man explodieren. So wie wir als Menschen gebaut sind, sind wir einfach bei bestimmten Dingen verletzlich, die aus unserer Biografie heraus etwas mit alten und tiefen Angsterfahrungen zu tun haben. Dem kann niemand ausweichen.
Einen Konflikt reparieren
Zu wissen, wie man einen Konflikt repariert, ist die wichtigste Fähigkeit, um in einer Beziehung langfristig Nähe, Verbundenheit und Zugehörigkeit zu erleben. Wie diese Reparatur aussieht, ist unter diesem Link nachzulesen.
Gelingt die Reparatur, entsteht darin gegenseitiges Verständnis und Mitgefühl und der Konflikt selber wird dadurch emotional gelöscht. Dieses gegenseitige Mitgefühl und Verständnis entsteht nur dort, wo sich beide mit ihren Gefühlen und ihrem Erleben zeigen können und darin auch gesehen werden.
Doch leider ist genau das ganz oft weder im Konflikt noch nach dem Konflikt möglich.
Was passiert, wenn ein Konflikt nicht gut bereinigt wird?
Überall, wo nach einem Konflikt keine gute Reparatur stattfindet, wo man in Bezug auf das Konfliktthema nicht in gegenseitiges Mitgefühl und Verständnis kommt, fühlen sich beide im Konflikt nicht gesehen und nicht verstanden, was unglaublich frustrierend ist. Beide fühlen sich dann als Opfer des anderen, was fürchterlich trennend ist.
Beide bleiben dann am Ende des Konflikts mit dem Gefühl übrig, dass es keinen Sinn macht, sich zu zeigen, wenn einen der andere ohnehin nicht sieht und versteht. Endet ein Konflikt so, endet er in Wirklichkeit nicht. Er bleibt aufrecht. In manchen Beziehungen entwickelt sich daraus ein sogenannter kalter Konflikt - beide Parteien gehen sich aus dem Weg und sind auf Distanz. Oder es kommt zu ständigen kleinen Sticheleien, Kritik und Vorwürfen, oder die Sache entwickelt sich zu einem heißen Konflikt, als zu einer Spirale immer lauter und verletzender werdender Konflikte.
Jeder Konflikt, der nicht repariert wird, in dem bleiben die gegenseitigen Verletzungen aufrecht und es entsteht Angst, Misstrauen und Distanz in der Beziehung. Einer oder beide Partner gehen innerlich oder äußerlich auf Distanz, weil sie merken, dass sie ihre Differenzen nicht so beilegen können, dass es beiden damit gut geht.
Wir verstehen uns nicht
Sich nicht zu verstehen, sich auf beiden Seiten zunehmend unsichtbar zu fühlen und bei Aussprachen zu merken, dass der Konflikt immer noch mehr vertieft wird, führt dazu, dass beide Partner irgendwann den Aussprachen aus dem Weg gehen. Aus der Frustration, sich gegenseitig nicht zu verstehen, wird mit der Zeit Resignation.
Und dieser Vorgang trennt Paarbeziehungen mit der Zeit sehr tief. Denn wenn ich nicht mehr weiß, wie mein Partner fühlt und was seine Motivationen sind und im miteinander reden niemand sichtbar wird, machen wir uns unweigerlich in unserem Kopf Geschichten über die Motivationen und Gefühle des anderen.
Die Geschichten in meinem Kopf
Die Geschichten in meinem Kopf ersetzen den Dialog, der nicht mehr stattfindet. Es gibt eine wichtige Grundregel in Beziehungen: "Ich weiß nie, was der andere fühlt und danke und was seine Motivationen sind. Ich kann es nur erfahren, wenn ich nachfrage und eine ehrliche Antwort bekomme."
Da genau diese Möglichkeit wegfällt, wenn man aus seinen Konflikten nicht mehr herauskommt, macht sich jeder in seinem Kopf eine Geschichte, was im anderen vorgeht und was seine Motivationen für seine Handlungen sind. Und wenn wir diese Geschichten in unserem Kopf nicht mehr mit der Realität abgleichen können, werden sie zur Realität, in der wir leben.
Wir wissen nie, was wer anderer denkt oder fühlt, wenn wir nicht nachfragen. Sind wir mit jemandem in Konflikt, unterstellen wir dem anderen automatisch die niedrigsten Motive und je tiefer wir in Konflikt sind, umso mehr interpretieren wir die Handlungen des anderen so, dass sie willentlich gegen uns gerichtet sind.
So entsteht in Partnerschaften Stück für Stück eine Dynamik, in der der Partner, mit dem ich zusammen lebe, mehr und mehr in meinem Kopf existiert. Als Geschichte, die ich mir von ihm mache. Wie mein Partner wirklich ist, das kann ich dann nicht mehr erfahren.
Diese Geschichten muss ich erfinden, denn ich versuche mich in Bezug auf die Beziehung zu orientieren. Wenn ich meinen Partner nicht sehen kann, ist das der nächstbeste Ersatz.
Und so beginne ich mehr und mehr mit dem Partner in meinem Kopf zu leben. Er wird realer als mein echter Partner und ich werde mir immer sicherer, dass die Motivationen, die ich ihm unterstelle, seine wahren Emotionen sind. Sagt mein Partner, er habe andere Motivationen und Gefühle, als ich ihm unterstelle, glaube ich ihm nicht und unterstelle ihm, dass er mich anlügt.
Je öfter ich meinen Partner mit diesen Unterstellungen konfrontiere, umso weniger wird er sich gesehen fühlen.
Und auf diesem Weg führen die Geschichten in meinem Kopf in eine innere Wirklichkeit, die die Beziehung immer tiefer trennt.
Mitgefühl und Verständnis
Es gibt nur einen Weg, in Beziehung zu kommen und in Beziehung zu bleiben. Das ist, zuhören, um zu verstehen. Zuhören, um sich in den anderen hineinversetzen zu können. Zuhören, um zu fühlen, was der andere fühlt. Das ist die einzige wahre Quelle von Sicherheit, Nähe, Vertrauen, Herzlichkeit und Liebe in einer Beziehung.
Übung:
Wenn ich genau hin spüre - wo fühle ich mich in meiner Partnerschaft nicht gesehen und wo habe ich begonnen, in meinem Kopf Geschichten über meinen Partner zu haben, in denen er aus Rücksichtslosigkeit handelt, oder weil ich ihm egal bin, oder weil er oder sie eine andere hat, oder weil er oder sie ein Narzisst ist, und so weiter?
Wo habe ich solche Geschichten in meinem Kopf, in denen mein Partner ein schlechter Mensch ist, nicht fähig zur Empathie, böse oder extra verletzend?
Überall, wo diese Geschichten im Kopf die Beziehung bestimmen, wird die Beziehung durch sie verletzt und getrennt. Beide Partner sind dann zutiefst frustriert, traurig, wütend, fühlen sich ohnmächtig und alleine. Und beiden haben die Sehnsucht nach einer Frau oder einem Mann, der sie versteht und so nimmt, wie sie sind.
Gegenseitiges Zuhören, um zu verstehen ist die einzige Möglichkeit, wieder in die Partnerschaft zurückzufinden. Und dabei eine Begegnung, in der jeder den Raum bekommt, sich zu zeigen, ohne unterbrochen zu werden und in dem Urteil, Wertung, Anspruch, Vorwurf, Kritik und Unterstellung keinen Platz haben.
Denn jede dieser 6 Dinge trennen und führend tiefer in Konflikt und machen beide unsichtbar.
Daher ist es wichtig, dass jeder von sich und über seine Gefühle reden kann und damit im besten Fall für den anderen sichtbar und fühlbar wird.