In unserer Kultur sind viele Dinge im Überfluß da. Das gilt insbesondere für Nahrung. Gerade wenn man sich in einer Großstadt bewegt, kann man oft keine 10 Meter gehen, ohne daß man an nächsten Fastfood Gelegenheit vorbeikommt. Und der Kühlschrank ist immer gefüllt.
Das häufigste Ernährungsmuster in unserer Kultur sind drei Mahlzeiten am Tag und Snacks zwischendurch. Das ist aus evolutionärer Sicht abnorm, sagt der Biologe Mark Mattson vom National Institute of Aging in Boston.
Kurzum - man kann eigentlich immer essen - und man tut es auch. Und so machen wir mit unserem Körper das, was wir auch mit unserem Geist machen. Wir stopfen so viel hinein, daß er mit dem Verarbeiten nicht mehr mit kommt.
Jeder von uns kennt das Gefühl dem kurzfristigen Genuß nicht widerstehen zu können und danach ganz genau zu merken, daß das jetzt für den Körper nicht besonders gut war.
Wie und wie viel wir essen hat viel damit zu tun, wie unsere Beziehung mit unserem Körper ist - und ob wir seine Bedürfnisse achten. Dort, wo wir die Bedürfnisse unseres Körper nicht achten, sind wir nicht im Gleichgewicht.
Fasten
Fasten ist ein altmodischer Begriff und war ursprünglich auch immer mit geistiger Reinigung verbunden. Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit und dauert 40 Tage bis Ostern. Vor Weihnachten war früher ein Monat Fastenzeit.
Diese Zeiten sind traditionell damit verbunden, daß man zu sich kommt. Ritualisiert im Jahr - immer wenn es im Einklang mit der Stimmung der Natur auch angemessen ist. Und tatsächlich ist es so, daß man sich auf verschiedenen Ebenen bewußter wahrnimmt, wenn man fastet.
Essen statt fühlen
Wenn wir zu viel essen, dann tun wir das oft als Ablenkung von unangenehmen Gefühlen, die wir sonst aushalten müßten. Die kurzfristige Belohnung lenkt oberflächlich sehr gut von Frustrationen ab. Aber in der Tiefe schafft sie eine anhaltende Frustration, die daraus resultiert, daß wir sehr wohl merken, daß wir mit uns selbst nicht gut umgehen. Das macht uns traurig und wenn wir dieses Gefühl auch nicht spüren wollen, macht es uns depressiv.
Das trifft auf die meisten von uns mehr oder weniger zu. Essen hat immer auch etwas mit Fühlen zu tun.
Fasten und Fühlen
Wenn wir fasten, begegnen wir auch den Gefühlen, die wir im Alltag mit Nahrung betäuben. Bei mir sehe ich seit Jahren, welche emotionale Funktion Zucker für mich erfüllt, und es ist ein langer Weg damit besser umzugehen.
Im Sinne der Achtsamkeit ist es gut, wenn wir den Gefühlen, die dann hoch kommen, wenn wir fasten damit begegnen, daß wir sie fühlen, statt uns zu fragen, woher sie kommen oder warum wir sie haben. Gerade wenn es unangenehme Gefühle sind. Sie gehören zu unserer inneren Wirklichkeit und dürfen sein. Sie gehören zu unserer Beziehung zu uns selbst. Ich möchte dazu in diesem Eintrag nicht ins Detail gehen und verweise zu dem Punkt auf den Eintrag "Fühle deine Gefühle".
Was mir wichtig ist: Achtsamkeit ist für mich eine Übung, in der wir lernen gut mit uns selber umzugehen - mit unseren Gefühlen, mit unserem Körper, mit unserem Verstand. Alles was wir auf der einen Ebene bewegen, berührt auch die anderen Ebenen. Fasten führt nicht nur dazu, daß unser Körper Zeit bekommt das was zu viel ist sinnvoll einzuordnen. Fasten führt immer auch dazu, daß unsere Gefühls- und Verstandesebene davon berührt werden. Deswegen ist es wichtig, damit sorgsam umzugehen.
Zu viel ist zu viel
Im Eintrag "Askese ist wichtig" schreibe ich über die Wirkung einer Kultur, in der täglich mehr in uns reingefüllt wird, als unser Geist verarbeiten kann - und wie wichtig es deswegen ist, sich jeden Tag Zeit zu nehmen zu meditieren. Sich jeden Tag ein bißchen Zeit zu geben, in der wir nichts in uns einfüllen, in der wir nicht ins Außen hören und etwas aufnehmen - etwas konsumieren, sondern in der wir nach innen hören.
Wenn wir diesen Schritt nicht machen ist es nicht verwunderlich, daß uns Dinge zu viel werden, wir überfordert sind, und uns in Folge viel mit Konsum ablenken müssen, weil es uns unangenehm wird, uns selbst zu begegnen. Es wird tatsächlich unangenehm Zeit nur mit uns selbst zu verbringen - ohne jeden Input von außen. Und das ist mächtig schade, wo doch die Beziehung zu uns selbst die wichtigste ist, die wir haben.
Wenn wir nicht mit uns selbst in Beziehung sind, dann sind wir in der Tiefe auch nicht in Beziehung im Außen. Das ist der Preis, den wir zahlen.
Ich habe während des Schreibens die Vorstellung wie es mir ginge, wenn ich mein Zimmer aufräumen möchte, und ständig fliegt mehr Zeug bei der Tür rein als ich aufräumen kann. Also ich weiß, wie ich mich dann nach einer Weile fühlen würde....
Warum ist Fasten wie Meditation für den Körper?
So wie sich in der Meditation unser Bewußtsein, unser Verstand, und unsere Gefühle ordnen können, so kann sich unser Körper beim Fasten wieder ordnen. Insofern sind Meditation und Fasten zwei Prozesse, die eines gemein haben. Wir erlauben unserem System durch Meditation und Fasten, daß es das verdaut, was wir aufgenommen haben. Tun wir das nicht, ist unser System ständig überfordert, und kommt mit dem Aufräumen nicht mehr nach.
Die positiven Aspekte von Fasten
Positive Aspekte von Fasten gibt es viele. Auf einem rein körperlichen Level verbessern sich die Cholesterin- und Blutwerte. Fasten ist eine bewährte Medizin gegen Dickleibigkeit, Herz- und Kreislauf Erkrankungen, und Diabetes Typ 2.
In Zellen sammelt sich in Zeiten des Nahrungsmittelüberflusses molekulares Gerümpel an. In Zeiten des Mangels werden diese Stoffe entrümpelt und verwertet.
Nach einer Zeit ohne Nahrung werden Fettreserven aktiviert, und der Stoffwechsel wird angeregt, und Entzündungsprozessen kann der Körper besser begegnen.
Übung
Ich persönlich finde Intervallfasten eine sehr interessante Sache. Die Idee ist, an zwei Tagen in der Woche 24 Stunden nichts zu essen, aber genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen - natürlich ungesüßt.
An welchen zwei Tagen in der Woche man das jeweils macht, kann man sich aussuchen. Das kann jede Woche wechseln, sodaß man mit sozialen Verpflichtungen gut umgehen, und sich das Fasten flexibel einteilen kann.
Wenn man davon ausgeht, daß Fasten eine Meditation für den Körper ist, würde man somit 104 Tage im Jahr mit dem Körper meditieren. Ein schönes Zeichen, wenn man die Beziehung zu seinem Körper nachhaltig verbessern möchte.
Alternativ kann man dem Körper auch die Chance geben täglich ganz aufzuräumen, indem man nach der 16:8 Methode lebt.
Das bedeutet ganz einfach, daß man 8 Stunden am Tag essen kann, und dem Körper dann 16 durchgehende Stunden zur Verdauung gibt. So kann man beispielsweise ab 12h00 Mittag was essen bis 20h00 am Abend und kann dem Körper bis zum nächsten Tag zu Mittag die Chance geben alles gut zu verwerten.
Noch ein Buchtip zum Fasten: Wer längere Zeit fasten möchte, dem empfehle ich einen sehr guten Klassiker zu dem Thema: "Wie neugeboren durch Fasten" heißt das Buch. Der Titel funktioniert als link zum Buch.