Ich bin kein Fan von Ratgeberliteratur, die verspricht, dass man in "nur 3 Wochen" ein ganz anderer Mensch ist, wenn man nur wirklich will. Daher hätte ich vom Titel her wohl das Buch "Die 1% Methode" und dem Sticker am Cover "mit kleinen Gewohnheiten jedes Ziel erreichen" nie in die Hand genommen. Ein guter Freund hat es mir ans Herz gelegt - das hat mich neugierig gemacht.
Was ich gelesen habe, fand richtig gut. Denn James Clear geht in seinem Buch davon aus, dass Gewohnheiten zu einem langfristigen Identitätsprozess gehören und dass jede Änderung von Gewohnheiten daher mit einer Veränderung von Identität einhergeht.
Wir sind in gewisser Weise unsere Gewohnheiten. Was wir täglich machen, bestimmt unsere Identität, bestimmt, wer wir sind. Ich "bin" sportlich, ich "bin" leicht ablenkbar, ich "bin" fleißig, ich "bin" kein Leser, ....
Wo immer ich mich mit etwas identifiziere oder nicht, hat es einfach etwas damit zu tun, wie oft dieses Verhalten in meinem Leben vorkommt.
Aber nur, weil etwas oft in meinem Leben vorkommt, heißt es noch nicht, dass es mir damit gut geht. Dass ich mich damit wohlfühle.
Möchte ich andere Beschäftigungen als Gewohnheit in meinem Leben etablieren, merke ich, wie schwierig das sein kann.
Das Buch, die 1% Methode ist mir genau zu einem Zeitpunkt in meinem Leben begegnet, in dem gerade mehr Zeit für mich entsteht und dieses mehr an Zeit hatte ich in den letzten Monaten mit Dingen aufgefüllt, mit denen ich mich nicht wohlgefühlt habe.
Dinge, die ich mir in der Zeit angewöhnen wollte, haben keinen Platz in meinem Leben gefunden.
Das Buch hat mich in Vielem verblüfft. Es erforscht das Thema Gewohnheiten so gründlich und gibt ein Verständnis dafür, wie sie entstehen, dass zuerst eine vertiefte Bewusstheit zu dem Thema entsteht. Ich habe mich oft wiedererkannt - ja, stimmt, so ist das bei mir auch.
In der Folge geht der Autor Stück für Stück Möglichkeiten durch, durch bewusstes Handeln Gewohnheiten zu verschieben. Dabei startet James Clear sozusagen beim Rückgrat der Gewohnheitsfrage - nämlich beim Thema Identität. Es wird klar, dass eine Änderung von Gewohnheit immer davon ausgeht, wer ich gerade bin und wer ich sein möchte. Die Beantwortung dieser Frage macht von äußeren Zielen unabhängig, die neue Gewohnheiten schnell in sich zusammenfallen lassen.
Es geht dann nicht mehr darum, ein bestimmtes Gewicht zu erreichen, sondern um die Frage, wie möchte ich mich ernähren, wie möchte ich mich bewegen, .... Das Zielgewicht ist dann nicht Anfang und Ende meines Fokus, der Fokus ist eine nachhaltige Umstellung in meinem Leben, die mit dem, wer ich bin, kongruent ist.
Stück für Stück führt das Buch durch viele Mechanismen von Gewohnheiten und welche Möglichkeiten es gibt, genau diese Mechanismen für sich gut zu nutzen.
Dabei beruht die 1% Methode nicht auf der subtilen Aggression der Selbstverbesserung, Zwang oder Disziplin, sondern aus tiefen Einsichten in die Psychologie von Gewohnheiten.