Es ist für mich eine sehr faszinierende Entdeckung gewesen, wie unsere Persönlichkeit ihren Weg in unseren Körper findet. Man kann auch sagen, wie sehr unsere Körperhaltung im Lauf der Jahre unsere Lebenshaltung widerspiegelt - und wie unvermeidlich das ist.
Spannend ist auch, wie sehr unsere Körperhaltung uns in einer Sichtweise der Welt gefangen hält und uns keine andere Perspektive mehr erlaubt.
Dabei gilt, je starrer und härter unser Körper wird, desto starrer und härter werden wir auch emotional, desto verengter wird unser Blick auf die Welt und desto mehr Konflikt erleben wir.
Wir haben einen Emotionskörper
Wir kennen das Bild unseres Körpers als vielfältige, lernfähige Maschine. Mein Körper kann ein Glas greifen, er kann gehen, laufen, Fahrradfahren, Kartoffel schälen, usw. Mein Körper kann alle diese Dinge lernen und sie über seine Muskeln umsetzen. Dabei baut er die Muskeln so weit auf, wie Anforderungen da sind und kann gleichzeitig unglaublich feinfühlig und dosiert agieren.
Gleichzeitig kann unser Körper Nahrung verdauen, Wunden reparieren, Immunzellen produzieren und vieles mehr auf der inneren biologischen Ebene.
Unsere Muskeln haben aber noch eine ganz andere wichtige Funktion, die uns in der Regel völlig unbewusst ist: Wir "verkörpern" alle Gefühle. Jedes einzelne Gefühl, das wir haben, können wir nur dann spüren, wenn wir es verkörpern. Verkörpern heißt - zu jedem Gefühl gehört ein genaues Anspannungsmuster im Körper, durch das wir dieses Gefühl in uns fühlen können. Wir lächeln, wenn wir uns freuen und unsere Mundwinkel gehen nach unten, wenn wir traurig sind. Das passiert ganz automatisch und ich kann nicht an meinem Körper vorbeifühlen. Ich kann mich beispielsweise nicht traurig fühle, wenn ich lächle.
Wie "verkörpern" wir Gefühle?
Es ist ganz simpel eine biologische Funktion, das zu jedem Gefühl ein konkretes Anspannungsmuster und eine Körperhaltung gehört. Jeder weiß, wie jemand aussieht, der niedergeschlagen ist und wie jemand aussieht, der sich freut, jemand, der wütend, trotzig oder neugierig ist. Jedes dieser Gefühle hat einen anderen Körperausdruck und je nach Anspannungsgrad im Körper auch einen anderen Energiezustand. Diese Abstimmung im Körper ist wie alle Körperfunktionen extrem nuanciert und exakt. So werden alle Nuancen von Gefühlen auch subtil unterschiedlich verkörpert.
Jeder einzelne Muskel in unserem Körper ist eingebunden in die subtile Abstimmung der Verkörperung von Gefühlen. Dass Gefühlszustände im Gesicht ablesbar sind, dessen ist sich noch jeder bewusst. Aber dass jeder Teil unseres Körpers an der Verkörperung von Gefühlen beteiligt ist, von der Fingerspitze bis zu den Zehen, das nehmen wir in der Regel nicht wahr.
Wie wir Gefühle verkörpern, lernen wir nicht. Es ist ein Teil unserer biologischen Ausstattung und damit nicht kulturell oder individuell gelernt. Das heißt, jeder Mensch weltweit verkörpert die gleichen Gefühle gleich. Schon Babys können erkennen, dass ein lächelnder Mensch Herzlichkeit und Freundlichkeit verkörpert und entspannen beim Anblick dieser Bilder.
Wie kommt die Persönlichkeit in den Körper?
Wenn man es ganz vereinfacht sieht, unterscheidet unser sogenanntes emotionales Gehirn ständig zwischen Situationen, die angenehm und ungefährlich sind und solchen, die Angst machen und gefährlich sind.
Bei allen Situationen, die uns Angst machen, entsteht eine Anspannung. Jeder weiß, wie hohe Anspannung stressige, angst machende Situationen auslösen können. Das liegt daran, dass alle Angstgefühle uns biologisch in einen Flucht- oder Kampfmodus bringen.
Das ist alles soweit gut, wenn wir uns nach der stressigen Situation wieder entspannen können. Doch wenn wir zu lange in der Anspannung bleiben, kommen wir in eine Verspannung.
Damit hält uns unser Körper in der Angstreaktion fest. Wir bleiben gereizt und überfordert und in Gefühlen von Wut oder Autoaggression. Unser Körper entlässt uns nicht mehr aus dem Gefühl.
Auch das hat wieder einen einfachen biologischen Hintergrund. Unsere Muskeln sind Fasern, die ineinander gleiten. Wird das Gewebe über längere Zeit sehr stark angespannt, können die Gewebeflüssigkeiten nicht mehr abfließen. Es kommt zu einem Stau. Und dieser Stau erlaubt es nicht mehr, dass die Muskelfasern wieder auseinandergleiten.
Körperhaltung, Mimik und Persönlichkeit
Erlebe ich die gleichen Angstgefühle immer wieder, komme ich aus der Verkörperung dieser Gefühle immer schwerer raus. Die Haltung wird zu einem Lebensgefühl, aus dem ich nicht mehr rauskomme. Meine Grundstimmung wird gereizter, ich fühle mich schneller überfordert, ich reagiere schneller und heftiger emotional.
So setzen sich über die Jahre meine Stresserfahrungen im Körper fest. Meine Körperhaltung wird so zum Ausdruck meiner Persönlichkeit.
Jeder erkennt die Körperhaltung eines Menschen, der sich in Konflikten gern durchsetzt und die Körperhaltung eines Menschen, der in Konflikten schnell klein bei gibt. Jeder kennt die Gesichter von alten Menschen, die Herzlichkeit und Freundlichkeit ausstrahlen und die Gesichter von alten Menschen, die verhermt und hart geworden sind.
Härte und Weichheit
Je mehr tiefe Angsterfahrungen ich in meinem Leben gemacht habe, desto härter und verspannter ist mein Körper. Habe ich ein gutes Leben mit schönen Beziehungen gehabt, bleibt mein Körper auch im Alter flexibel und weich. Diese Flexibilität erlaubt es mir, in viele unterschiedliche Gefühle zu kommen. Je höher die Anspannung in mir ist, desto enger wird mein Gefühlserleben.
Natürlich kann auch ein herzlicher Mensch Angst haben. Aber wenn sie nicht so lange anhält und nicht so tief geht, kann er sich nach der Angsterfahrung schnell wieder ganz entspannen. So bleibt er nicht in der Angsthaltung des Körpers gefangen.
Auf diese Weise entscheidet die emotionale Qualität unseres Lebens, ob wir Zornesfalten, Grübelfalten, oder Lachfalten und leuchtende Augen haben, wenn wir in die Jahre kommen.
Wege aus dem Angstkörper
Wilhelm Reich, ein Schüler Sigmund Freuds, der sich schon früh mit den körperlichen Aspekten der Psyche auseinander gesetzt hat, hat für verspannte Körper Begriffe wie Panzerung und Angstkörper geprägt. Diese Begriffe beschreiben für mich immer noch sehr plakativ, wie sich unsere Angsterfahrungen im Körper manifestieren.
Jeder Angstkörper reduziert immer die Bandbreite der Gefühle, die ich wahrnehmen kann. Weiche, herzliche Gefühle wie Freude und Traurigkeit sind in ihm nur schwer zugänglich. Sensibilität geht verloren.
Es stellt sich die Frage, wie kann ich aus meinem Angstkörper und damit aus meinem im Körper gespeicherten Persönlichkeitsmuster, aus meiner körperlichen und emotionalen Haltung wieder aussteigen?
Achtsames Yoga, Meditation und Achtsamkeit sind eine Möglichkeit, wieder in eine andere Körpererfahrung zu kommen. Wenn mein Körper flexibler wird, beginne ich wieder, mich zu spüren - sowohl im Körper als auch emotional. Gelingt es mir, meinen Körper nachhaltig in eine andere Haltung zu bringen, bringt mich das automatisch auch emotional in eine andere Haltung. Jeder Teil meines Körpers, der weicher wird, zu dem komme ich wieder gut in Beziehung. Mein emotionales Spektrum öffnet sich wieder. Und das erlaubt mir Stück für Stück, auch wieder mit anderen gut in Beziehung zu gehen. Konflikte emotionalisieren mich dann nicht mehr so stark, gegenseitige Achtung, gegenseitiges Verständnis und Herzlichkeit werden wieder Teil meiner Beziehungen.
Wer durch diesen Beitrag neugierig geworden ist, findet in meinem Blog mehrere Beiträge zum Thema Haltung. Einfach in der Blogübersicht mit der Lupe oben rechts nach dem Begriff Haltung suchen.
Einerseits führen Achtsamkeitskurse Stück für Stück darin ein, was es braucht, um wieder in eine gute Haltung zu finden. Aber es gibt natürlich auch andere Wege.
Zum Beispiel vertiefende Yoga Angebote, die die Aspekte von Psyche und Haltung bewusst verbinden. Denn die Yoga Philosophie ist wohl eine der ältesten Traditionen, die den Körper / Psyche Zusammenhang in der Tiefe erkannt und bis ins feinste Detail erforscht haben. Da Yoga auf sehr unterschiedliche Arten unterrichtet wird, ist es wichtig, im Vorhinein nachzufragen, wie der Körper / Psyche Aspekt in den Kursen beleuchtet wird und ob Meditation und Atemübungen mit angeboten werden. Viele Yogakurse gehen mit diesen Themen nicht in die Tiefe.
Darüber hinaus finde ich zwei Methoden der Körperarbeit sehr interessant, wenn es darum geht, tief sitzende Körpermuster zu lösen und wieder in ein gutes körperliches und emotionales Gleichgewicht zu kommen. Wer sich vertiefen möchte, dem empfehle ich zu "Feldenkrais" und zur "Grinberg Methode" zu recherchieren und zu schauen, ob es gute lokale Anbieter gibt.
Beide Methoden haben mir über die Jahre über die Achtsamkeit hinaus sehr geholfen, mich aus den teilweise sehr alten und tiefen Angsterfahrungen meines Körpers herauszuarbeiten.
Der Körper wird weiter, flexibler, weicher. Es entsteht ein größerer innerer Raum, alle Teile des Körpers können sich wieder gut miteinander verbinden und die Energie kann frei fließen.
Erreicht der Körper so einen Zustand, gelingt Beziehung auf allen Ebenen entscheidend besser und Stresserfahrungen im Alltag gehen sehr nachhaltig zurück.