Dinge, die uns Angst machen und mit denen wir in Konflikt sind, weichen wir gerne aus. Sie sitzen uns dann im Nacken. Vielleicht fühlen wir uns auch ohnmächtig im Angesicht einer Situation. Ablenkung oder Betäubung sind dann oft die naheliegenden, scheinbaren Lösungen, um nicht mit etwas konfrontiert zu werden, was mir gerade über den Kopf wächst.
Dieses nicht Hinschauen kommt aus dem Widerstand gegen eine Realität, die da ist, der ich aber nicht begegnen möchte, weil ich mich ihr nicht gewachsen fühle.
In diesem Wegschauen mache ich leider zwei Dinge, die die Situation nicht verbessern. Der Widerstand, die Realität einer Situation zu begegnen, erzeugt letztlich mehr Angst, als wenn ich hinschauen würde.
Vielleicht habe ich gerade Angst, mir den wahren Zustand meiner Beziehung einzugestehen - ich bin überfordert, mir ist alles zu viel, ich "sollte" schon längst dieses und jenes machen......
Was auch immer das Thema ist - durch Wegschauen verschwindet es nicht, sondern bleibt ein ständig aufrechter Konflikt. Es kostet Energie, diese Themen immer wieder runterzudrücken, seine Gefühle zu verdrängen und zu unterdrücken.
Wie sich mein Lebensgefühl verändert
Letztlich führt jedes Gefühl, das ich unterdrücke dazu, dass meine Lebendigkeit zurückgeht - ich werde depressiv. Und gleichzeitig wird in der Regel genau das Gefühl größer, das ich nicht haben will. Denn jedes Gefühl, das wir haben, hat in der Tiefe eine Schutzfunktion und will etwas Gutes für uns. Wenn es merkt, dass wir es nicht haben wollen, wird es stärker. Denn es will gehört werden. Jedes Wegschauen "verstärkt" also Ängste und unangenehme Gefühle.
Begegne ich mir dann in ruhigen Momenten selbst - vor dem Einschlafen, im Traum, merke ich, was das alles in mir arbeitet und muss mich dann wieder schnell ablenken.
Annehmen, was ist
Annehmen, was ist, ist ein geflügeltes Wort in der Achtsamkeit. Für mich bedeutet es, sich der inneren (so geht es mir mit der Situation) und äußeren Realität einer Situation bewusst zu werden und im Angesicht der Realität mit ihr in Beziehung zu gehen.
Solange mir die Angst im Nacken sitzt, lenkt sie mein Leben. Aber wenn ich mich umdrehe und der Realität ins Gesicht schaue, auch wenn sie mir Angst macht, bringe ich mich in eine Position, in der ich Lösungen finden und handeln kann.
Es braucht das Hinschauen, das Innehalten, das genaue Erforschen und Verstehen der Situation und dabei im besten Fall einen herzlichen Blick auf mich selbst.
Und dort, wo ich selbst nicht weiter weiß, ist es wichtig, mir Halt und Unterstützung zu suchen, um Hilfe zu fragen, andere Perspektiven einzuholen. Denn manchmal verlieren wir uns in einer Situation und finden einfach nicht alleine raus. Wir brauchen alle in verschiedenen Lebenssituationen Freunde, Tipps, Berater, Mentoren, Familie, um mit einer Realität zurechtzukommen, in der wir gerade sind.
Auch das ist für mich Selbstermächtigung, Hilfe anzunehmen, um mich zu orientieren, und meine Realität vollständig erkennen zu können. Das ist die Basis dafür, Schritte in eine Richtung machen zu können, die mich entlastet.
Ehrlichkeit mir selbst gegenüber
Hinschauen ist also bei genauerer Betrachtung Ehrlichkeit mir selbst gegenüber. Sie bildet immer das Fundament für gute Entscheidungen in meinem Leben.
Übung:
Nimm dir Zeit und Raum dafür, einen Blick auf dein Leben zu machen. So, wie es jetzt gerade ist. Welche Bereiche deines Lebens lösen in deinem Körper Anspannung aus? Und was ist es genau, was bei diesen Themen die Anspannung auslöst?
Was kann ich konkret an der Situation ändern, damit ich diese Anspannung nicht mehr habe? Das ist die zweite Frage, die ich mir stellen kann. Kann ich diese Veränderung aus eigenen Kräften machen oder welche Art von Hilfe, Unterstützung, Lernen oder Wachstum braucht es, um einen nächsten guten Schritt zu machen?
Was sind meine Ressourcen? Auf wen kann ich mich verlassen, wenn ich Unterstützung brauche?
Durch Wegschauen versuchen wir Gefühle loszuwerden, die aus einem Grund da sind. Daher verschwinden sie auch nicht. Durch das Hinschauen können wir uns den Ursachen dieser Gefühle widmen. Gelingt das, verschwinden die unangenehmen Gefühle ganz von allein.