"True meditation is letting go of manipulating our experience." Auf deutsch heißt dieses Zitat von Adyashanti in etwa: Wahre Meditation verzichtet darauf, die eigene Erfahrung zu manipulieren.
Alles im jetzigen Augenblick so sein lassen zu können wie es ist und damit in Einklang zu kommen, in diese Haltung führt Meditationspraxis. Was für mich dabei wichtig ist - dieses Sein lassen beinhaltet immer mich selbst und alle meine Gefühle.
Ich lerne in der Meditation, die Gefühle, die da sind zuzulassen und sie zu fühlen. Durch dieses "mich so sein lassen" und mich ganz auf das einlassen, was auftaucht, finde ich Stück für Stück mit mir in Einklang.
Alles wahrzunehmen, mit allem zu sein und zu bemerken, welche Wirkung das im Körper, in den Gefühlen und in den Gedanken hat, das ist für mich eine gute Beschreibung der Essenz von Meditation.
Wenn ich alles so sein lassen kann, wie es ist und es dabei bewusst wahrnehmen kann, entwickle ich ein Bewusst-sein für mich selbst und meine ganze innere Erfahrungswelt.
Was kann ich tun, um....?
Was kann ich tun, um tiefer in die Meditationserfahrung zu kommen?
Was kann ich tun, damit meine Gedanken verschwinden?
Was kann ich tun, damit ich besser sitze?
Diese Gedanken bestimmen am Anfang oft die Meditationserfahrung, solange der Wechsel vom Tun ins Sein noch nicht gelungen ist.
Die erste Erfahrung, die man in der Regel in der Meditation macht, ist, daß es in der Regel alles andere als ruhig, entspannend und wohltuend ist, wenn ich das erste Mal für längere Zeit die Augen schließe und nichts tue.
Oft ist es eine echte Provokation nichts zu tun und dabei alles "einfach" sein zu lassen. Denn der Tumult, den ich dann oft in mir entdecke, ist in der Regel nicht leicht auszuhalten.
Das "Nichtstun" und nur mit sich sein kann für den Meditationsanfänger eine Erfahrung sein, die ihn gefühlt aus der Haut fahren lässt.
Der Atem
Was hilft, um vom Tun ins Sein zu kommen, ist der Fokus auf den Atem.
Auch der ist nicht einfach zu halten, wenn mein Kopf mit tausend Dingen beschäftigt ist, die noch zu tun sind und die mich gerade beschäftigen.
Aber wo der Fokus auf den Atem und damit auf den Körper gelingt, stellt sich unser Nervensystem um. Es kommt aus dem Tun Modus, der meist mit einem Gefahren- und Angstmodus verbunden ist raus und geht in einen Entspannungsmodus, in dem alles langsamer wird und ruhiger.
Mein emotionales Gehirn registriert keine äußere Gefahr mehr, wenn es mir gelingt, mich bewusst gut auf den Körper und den Atem zu fokussieren und schaltet darauf ins sogenannte parasympathische Nervensystem um. Der Fokus auf den Körper und den Atem ist also ein Signal an mein ganzes emotionales System, mich zu beruhigen und an meinen Körper, mich zu entspannen.
Ab da beginne ich in eine ruhigere Meditationserfahrung einzutauchen. Alle Systeme in meinem Körper schalten auf Regeneration und Reparatur. Die Außenwelt und das Dringliche in meinem Leben verliert an Bedeutung. Alle Körperprozesse und mein Atem beruhigen sich und die Muskeln entspannen. Es wird jetzt deutlich leichter, den Fokus zu halten.
So beginne ich erste Meditationserfahrungen zu machen.
Was bedeutet es genau, in der Meditation alles "sein zu lassen"?
Sein lassen heißt nicht Gleichgültigkeit
Ich höre oft, daß es eine unangenehme Vorstellung ist, alles einfach nur "sein zu lassen und anzunehmen wie es ist." Niemand möchte ein Mensch zu werden, dem alles egal ist, der über den Dingen steht und der emotional nicht mehr berührbar ist.
Die Erfahrung der Meditation und ihre Wirkung auf die Gefühle ist allerdings genau die Gegenteilige. Mit regelmäßiger Meditationspraxis werde ich wesentlich berührbarer, empathischer und emotionaler. Gleichzeitig gehen die Ausschläge von Angstreaktionen zurück. Sowohl die in der Aggression, wie auch die im Rückzug, in der Depression.
Das führt dazu, daß ich weniger oft in Konfliktgefühlen bin. Ich komme in eine bessere Beziehung mit mir selbst und seltener in Konflikt mit anderen. Ich lerne durch Meditation, den stressigen Situationen in meinem Leben in einer anderen Haltung zu begegnen. Die stressigen Situationen werden dadurch nicht weniger, aber der Umgang mit ihnen wird angenehmer.
In meine Mitte finden
Meditation heißt übersetzt "in meine Mitte finden".
Jeder hat ein Bild davon, wie es sich anfühlt, mittig zu sein, im Gleichgewicht zu sein, gut bei sich zu sein. Von diesem Ort aus bin ich ruhig, präsent und flexibel und kann gut reagieren, ohne schnell Angst zu bekommen.
Aus meiner Mitte heraus kann ich mit mir und meinem Gegenüber empathisch bleiben und in der Regel angemessen reagieren .
Sobald ich in Angstgefühle komme, verliert meine Psyche die Fähigkeit zur Empathie. Diese Fähigkeit wird einfach abgeschalten. Die sogenannten Spiegelneuronen, die mich das fühlen lassen, was mein Gegenüber fühlt, schalten sich bei Angst aus.
Was macht Meditation mit meinen Angstgefühlen?
Unsere Gefühle existieren in Schichten. Unter meinen Angstgefühlen, wie Wut, Zorn, Eifersucht, Neid, Hass, Trotz, Enttäuschung, Beschämung, Hilflosigkeit, Mutlosigkeit, Ohnmacht, Gleichgültigkeit,.... sind andere, tiefere Gefühle, sogenannte Primärgefühle, die mir zeigen, wie es mir eigentlich wirklich geht.
Lerne ich in der Meditation die Angst- und Konfliktgefühle, die ich in der Regel nicht spüren möchte, zuzulassen und zu fühlen, passiert etwas Interessantes. Es tritt Entspannung ein und das Gefühl wird kleiner.
Gefühle werden kleiner, wenn ich sie fühle, statt mich gegen sie zu wehren. In dieser Entspannung entdecke ich manchmal, daß hinter der Wut die Traurigkeit steckt und daß ich auch sie fühlen und zulassen kann. Das vertieft die lösende Entspannung.
So lerne ich, daß alle Gefühle da sein dürfen und gefühlt werden wollen. Auch die unangenehmen. Und oft haben gerade die unangenehmen Gefühle wichtige Botschaften, die gehört werden wollen.
Auf diese Art lerne ich in der achtsamen Meditation mich selbst so zu lassen wie ich im jetzigen Augenblick bin. Ohne Urteil und ohne Wertung.
Das ist die Kraft des Sein Lassens in der Meditation.