Es ist interessant, dass das griechische Wort Persona eine Schauspielermaske bezeichnet. Persona steht für eine Rolle, die man spielt. Früher hieß es, wenn jemand erfolgreich war, dass er etwas darstellt.
Und tatsächlich sind wir in unserem Leben oft Darsteller. Wir versuchen das darzustellen, was man von uns sehen will und wenn wir nicht achtsam sind, verraten wir uns dabei oft selbst.
Mir gefällt dieser Blick auf Persönlichkeit, denn er zeigt, wie unser aller Sozialverhalten unter dem Blick und dem Urteil anderer wächst und wie sehr die soziale Verortung dafür sorgt, dass ich nur das von mir zeige, was mich zugehörig sein lässt.
Habe ich das Gefühl, dass meine Gefühle und Ansichten auf Urteil und Kritik stoßen, setze ich also sozusagen die Maske der Persönlichkeit auf.
Ich bin Viele
Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass wir ständig unsere Masken wechseln - je nachdem in welcher Umgebung wir sind. In der Kindergruppe, wenn ich mein Kind abhole, bin ich jemand anderer, als in einem wichtigen geschäftlichen Meeting. Mit Freunden beim Fußball bin ich jemand anderer als zu Hause mit meiner Frau, in der Oper jemand anderer als am Strand.
Das ist ganz natürlich. Einfach, weil wir soziale Wesen sind, die sich an die jeweilige Situation anpassen.
Doch geht die Anpassung zu weit, wird die Maske zu dominant, verliere ich den Kontakt zu meinen natürlichen Impulsen, Bedürfnissen und Gefühlen. Merke ich, dass ich hinter meiner Maske verschwinde und mein wirkliches Selbst für andere unsichtbar wird, dann fühle ich mich allein. Dann bin ich nur noch der, den andere in mir sehen wollen.
Wer bin ich eigentlich?
So eine Überanpassung ist immer das Resultat erlebter Situationen, in denen ich verurteilt und zurückgewiesen wurde, wenn ich mich so gezeigt habe, wie ich bin. Erlebe ich das wiederholt, wird das Unterdrücken meiner eigenen Meinung und Bedürfnisse zu einem Beziehungsmuster, das ich dann in allen Beziehungen erlebe.
Doch der Preis dafür ist hoch. Denn hinter der Maske meiner Persönlichkeit verliere ich mein Ich-Gefühl. Ich weiß dann nicht mehr, wer ich bin. Ich funktioniere, aber ich fühle mich nicht lebendig. Leute sagen mir, dass sie mich mögen, aber sie kennen mich nicht. Das kann so weit gehen, dass ich mich selber gar nicht mehr kenne.
Bestehe ich nur aus Maske bestehe, finde ich nie den Mut, mich so zu zeigen, wie es mir gerade geht, nie den Mut, meine Gefühle, meine Bedürfnisse, meine Wünsche mitzuteilen.
Ich verliere dann auch den Mut, meine Freude, meine Spontaneität, meine Lebendigkeit auszudrücken und offen zu leben. Denn jeder Ausdruck dessen ist mit der Angst vor Zurückweisung oder Urteil verbunden.
Mein Gleichgewicht finden
Ein Gleichgewicht zu finden, ist immer die Ausrichtung der Achtsamkeit. Mich an eine Situation anpassen zu können, ohne mich dabei zu verraten. Die Bedürfnisse meines Gegenübers wertschätzen und gleichzeitig meine Würde im Blick behalten. Mein Gegenüber verstehen und gleichzeitig mit gutem Gewissen zu mir stehen können.
Gelingt es mir so auf andere zuzugehen, komme ich in Beziehung mit meinem Gegenüber und mache mich gleichzeitig sichtbar, sodass sich mein Gegenüber auch auf mich beziehen kann.
Mir selbst treu bleiben zu können, ohne die Gefühle anderer zu verletzen, das ist die Kunst gut gelebter Beziehung.
Übung:
Für die Achtsamkeitsübung zu diesem Beitrag möchte ich dieses Mal auf einen Blog Beitrag zurückgreifen, den ich vor Jahren geschrieben habe und der mir immer noch sehr am Herzen liegt. Er heißt: "Der Preis dafür, zu mir zu stehen." In diesem Beitrag gibt es eine sehr schöne kleine Meditation, die zeigt, was es mich kostet, wenn ich mich nicht zeige.
Dort, wo es nicht leicht war, sich zu zeigen, braucht es den Mut, in kleinen Schritten zu üben. Dann ist es wichtig, Schritt für Schritt zu merken, es passiert nichts Schlimmes, wenn ich mich zeige - ganz im Gegenteil - ich komme in Verbindung mit mir und anderen. Ich entdecke wieder, wer ich bin.
Solltest du das üben wollen, dann funktioniert das am Anfang am besten mit Leuten, die herzlich sind. Mit Leuten, die dir mit einem Lächeln begegnen und die wenig Urteil über sich und andere haben. In der Gegenwart von solchen Menschen fühlt man sich freier und weiter und kommt ganz natürlich in das Gefühl, so sein zu dürfen, wie man ist.
Wenn du dort anfängst und dich Stück für Stück daran gewöhnst, dass es guttut, ohne Maske aufzutreten, ist der erste Schritt in eine gute Selbstbeziehung.
Mit jedem Schritt wächst der Mut und das Selbst darf neben der Persönlichkeit auch existieren.