"Wenn du immer tust, was du immer tust, wirst du immer bekommen, was du immer bekommst", heißt es in einem Zitat.
In der Regel stehen wir jeden Morgen auf, bewegen uns auf gleiche Art und Weise zu unserem Kaffee, in unsere Dusche, trocknen uns auf gleiche Art und Weise ab, wie wir das immer tun und gehen zur Arbeit, wo wir die gleichen Menschen treffen und die gleichen Dinge tun, die wir sonst auch tun.
Zu Hause treffen wir dann oft die gleichen Menschen wie immer. Denn sie wohnen mit uns zusammen und auch unsere Freunde ändern sich nicht. Wir kennen sie seit Jahren. Deswegen haben wir auch Routinen, wie wir uns begegnen und worüber wir mit ihnen reden. Und auch uns selbst kennen wir in- und auswendig, wenn wir uns nie in neuen Situationen neu kennenlernen.
Erleben wir mit der Zeit immer mehr gleiche Abläufe, können wir darin unsere Lebendigkeit verlieren.
Wir erstarren in Routinen
Die Tätigkeiten und Begegnungen unseres Tages bringen uns in bestimmte Gefühle und geben uns ein bestimmtes Weltbild. Erleben wir nichts Neues, verfestigt sich die enge Perspektive, in der wir unsere Welt erleben. Unsere Persönlichkeit wird damit emotional und geistig eng.
Das Gleiche gilt für unsere Körper. Wir machen täglich die gleichen Bewegungen und nutzen unsere Körper nicht mehr wie Kinder, die mit ihrem Körper spielerisch die Welt erkunden. Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres emotionalen Erlebens, denn wir "verkörpern" alle Gefühle. Erleben wir immer das Gleiche, verliert unser Körper die Fähigkeit, bestimmte Gefühle zu verkörpern. Besonders, wenn wir viel Stress haben. Denn dann verengt sich unser Körper über Verspannungen. Wir finden dann aus dem Stress nicht mehr raus.
So wird unser Leben in den immer gleichen Routinen oft anstrengend, sinnlos und langweilig.
Das Erleben des immer Gleichen hat noch einen wesentlichen Nachteil.
Alles, was wir in Routinen erleben, erleben wir nicht mehr bewusst. Sobald wir etwas Neues einladen, erleben wir es wieder bewusst und tauchen in der Gegenwart auf, in der wir leben. Wir steigen damit aus unseren inneren Automatisierungen aus. Wir müssen uns neu verorten und damit erleben wir uns selbst neu. Damit erweitern wir, wer wir sind.
Wenn Routinen bestimmen, wer wir sind, können wir auch ändern, wer wir sind, wenn wir unsere Routinen ändern. Diese Erkenntnis ist eine der wesentlichen Grundlagen der Achtsamkeit.
Wir bestehen aus Gewohnheiten
Blickt man darauf, wie unsere Psyche konstruiert ist, bestehen wir faktisch aus Gewohnheiten. Alles, was wir jemals erlernt haben, wird in uns in gewohnheitsmäßigen Mustern abgelegt, die in uns unbewusst ablaufen. Alle motorischen und emotionalen Erlebnisse werden in unbewussten, gewohnheitsmäßigen Mustern abgelegt. Wir reagieren so in ähnlichen Situationen immer wieder gleich, ohne dass wir das mitbekommen. In der Achtsamkeit wird dieses Phänomen Autopilot genannt.
Verbringen wir unser Leben in Routinen, leben wir zu 95% unbewusst. Denn so groß ist der Teil, den wir täglich in unbewussten Routinen und Mustern verbringen. Unsere Persönlichkeit, die Art, wie wir denken und fühlen, unsere emotionale Haltung und unsere Körperhaltung werden in immer gleichen Mustern erlebt. Auch sie sind nichts weiter als Routinen, die wir uns irgendwann angewöhnt haben.
Aber diese Routinen sind veränderbar.
Wie ändert Achtsamkeit Routinen?
Einer der wichtigsten Aspekte der Achtsamkeit ist, die Routine der Selbstwahrnehmung zu verändern. Bewusste, ganzheitliche Selbstwahrnehmung steht im Zentrum der Achtsamkeit.
In unserem Alltag identifizieren wir uns mit dem, was wir den ganzen Tag "denken". Was uns dabei nicht bewusst ist - unsere Gedanken sind angeschlossen an unsere Gefühle, die - ohne dass und das bewusst ist, wie oben beschrieben in gewohnheitsmäßigen Mustern immer wieder gleich auf Menschen und Ereignisse reagieren. Wenn wir mit dem Teil unserer Persönlichkeit identifiziert sind, läuft unser Leben unbewusst und in immer gleichen Beziehungsmustern.
Die Achtsamkeit ersetzt die Identifikation mit den Gedanken durch die Identifikation mit dem Bewusstsein. Sich über sein Bewusstsein wahrzunehmen heißt, eine Wahrnehmung einzuüben, in der ich meinen Körper, meine Gefühle und meine Gedanken bewusst wahrnehme und aus diesem Bewusstsein auch handle.
Dabei kommt dem Körper und der Sinneswahrnehmung eine entscheidende Rolle zu. Denn mein Körper und die Wahrnehmung über die Sinne sind immer mit der äußeren Wirklichkeit verbunden und sind unabhängig von den gewohnheitsmäßigen Mustern meiner Persönlichkeit. Zudem sind sie immer im Jetzt.
Gelingt es mir also, mit meiner Wahrnehmung ins Jetzt zu kommen, löse ich mich damit auch aus meinen ständig unbewusst auslaufenden Mustern.
Zudem lerne ich in der Achtsamkeit, mich mit einer Körperhaltung zu identifizieren, über die ich mich von meinen erlernten emotionalen Mustern entkoppeln kann. Man nennt das in der Achtsamkeit "emotionale Selbstregulation über den Körper".
Das Bewusstsein ist nach innen und außen verbunden
In der achtsamen Wahrnehmung entsteht also ein Nebeneinander der bewussten Wahrnehmung der Welt im Jetzt und der bewussten Wahrnehmung meiner unbewussten Muster.
Stück für Stück lerne ich dabei zu unterscheiden, welche Muster mir dienen und welche mein Leben einengen und mich in Konflikt mit mir und anderen bringen.
Auch hier ist die Körperwahrnehmung wichtig, denn über den Körper kann ich wahrnehmen, was mich entspannt und was mir Freude macht. Beide Signale sind ein Wegweiser zu einem Selbst, das mit sich und anderen in Einklang kommt.
Meine Selbstwahrnehmung und meine Wahrnehmung der Welt zu verändern ist also ein ganz grundlegender Eingriff, der mich von alten Prägungen und Routinen entkoppelt und mir die Freiheit gibt, mich bewusst zu entscheiden.
Der beste Weg, sich mit der achtsamen Wahrnehmung vertraut zu machen, ist der Besuch eines MBSR Kurses, in dem sehr viele Aspekte der achtsamen Wahrnehmung eingeübt werden.
Im Rahmen dieses Blogs kann ich eine ganz einfache Übung empfehlen, um einen Einstieg darin zu finden, Routinen zu verändern und zu erleben, wie bewusst ich das Leben dann auf einmal wahrnehme.
Übung:
Die Übung ist einfach, etwas Neues zu tun oder die Dinge, die ich täglich mache, auf eine neue Art zu machen.
Einen anderen Weg zur Arbeit zu wählen oder ein anderes Fortbewegungsmittel. Etwas zu machen, von dem ich sonst sagen würde, das bin doch nicht ich. An Orte zu gehen, an die ich sonst nicht gehe, Menschen zu treffen, die ich nicht kenne, einen Kurs zu machen in etwas, was ich nicht kann. Eine Woche lang Dinge auf einem Block zu notieren, statt sie in den Computer zu schreiben......
Was auch immer es ist - mache ich etwas Neues oder etwas Bekanntes auf eine neue Art, so ändert sich mein Erleben. Ich werde wieder neugierig und ich erlebe mich selbst neu. Alles, was wir neu erleben, erweitert unser Bild von uns selbst. So lernen und wachsen wir.
Alles, was ich neu erlebe, hebt meine Bewusstheit. Wähle ich Dinge, die mir Freude machen, tue ich mir etwas Gutes und beginne wieder neugierig zu werden auf die Welt und sie zu entdecken wie ein Kind.