Dass Schreiben eine Meditation sein kann, klingt vielleicht verblüffend. Und heute schreiben vielleicht nicht mehr so viele Menschen Tagebücher oder handgeschriebene Briefe. Dabei gibt es im Schreiben viel zu entdecken. Vor allem auch über sich selbst.
Durch die Achtsamkeit hat sich mein Konzept von Meditation wesentlich erweitert. Meditation ist nicht nur sitzen auf dem Meditationskissen. Meditation ist für mich heute im Wesentlichen jede Begegnung mit mir selbst.
Diese Begegnung kann in der Natur geschehen, beim Gespräch mit einem Freund, beim Klavier spielen, für manche auch beim Kochen, beim Musik hören und eben auch beim Schreiben.
Ein wichtiger Aspekt von Meditation ist immer, sich in Ruhe selbst zu begegnen und dabei etwas zu erkennen, was einem vorher nicht bewusst war.
Diese Zeit, in der ich mir selbst begegnen kann, ist für mich sehr wichtig geworden. Denn in dieser Zeit kann ich mich selbst ordnen und lerne wieder zu erkennen, was gerade wesentlich ist in meinem Leben.
Die Begegnung mit einem Gegenüber
In Gedanken werden mir Dinge oft nicht klar. Meine Gedanken denken gern im Kreis, vor allem überall dort, wo ich ein Problem habe. Der Kreis kennt keinen Anfang und kein Ende, er findet kein Ziel und erschöpft.
Manchmal habe ich dann ein Gespräch mit einem Freund oder einer Freundin und merke, dass mir auf einmal vieles klar wird. Oft auch, ohne dass mein Gegenüber etwas sagt.
Im Sprechen ordnet sich etwas in mir und ich sehe auf einmal andere Perspektiven. Ich komme zu Erkenntnissen, die ich ohne das Gespräch nicht gehabt hätte.
Jedes Gegenüber kann zu einer vertieften Selbsterkenntnis führen. Wir können uns im Spiegel unseres Gegenübers oft selbst erkennen.
Schreiben hat einen ähnlichen Effekt. Das Papier ist sozusagen ein Gegenüber, dem man etwas erzählt. Und wenn man das, was man geschrieben hat, noch einmal liest, dann spricht es zu einem zurück. So kann man sich auch über Schreiben selbst erkennen und Schreiben als Meditation nutzen.
Mein Blog
Seit 2017 schreibe ich wöchentlich mein Blog und habe dabei etwas Interessantes entdeckt. Jedes Mal, wenn ich etwas schreibe, lerne ich etwas. Dieser Effekt hat mich anfangs verblüfft und er hat sich immer fortgesetzt.
Ich starte oft mit einem Gedanken oder einem Thema, einfach, weil er mich interessiert. Ich habe aber nicht unbedingt das Gefühl, dazu etwas zu wissen.
Im Schreiben entdecke ich oft eine ganze Welt zu dem Thema, die mir gar nicht bewusst wahr. Durch das Schreiben verbinden sich Dinge in mir und sie werden mir bewusst. Danach gehört sie sozusagen zu meiner Identität. Alle die Erkenntnisse, die ich über das Schreiben gewonnen habe, sind nachher bewusstes Wissen.
Schreiben zu eigenen Lebensthemen
Mit dem Schreiben über eigene Lebensthemen stellt sich ein vergleichbarer Effekt ein. Ich lerne mich in Bezug auf mich selbst kennen und kann eine vertiefte Erfahrung mit mir selbst machen.
Zum heutigen Beitrag mache ich zwei Vorschläge für eine Schreibmeditation zu Selbstthemen. Beide haben eine etwas andere Wirkung und führen in Selbsterkenntnis.
Übung:
Schreibmeditation No1:
Diese Übung geht davon aus, dass ich mir eine Frage stelle und diese Frage beim Schreiben vertiefe. Hier einfach ein paar Vorschläge. Schreiben kannst du zu allem, was in dir nach einer Antwort sucht:
Was ist mir wichtig im Leben?
Was nährt mich?
Was macht mir Freude?
Wovor habe ich Angst?
Wofür bin ich dankbar?
Wer waren und sind für mich die wichtigsten Menschen in meinem Leben?
Wer war ich in meiner Pubertät und wie habe ich mir mein Leben vorgestellt?
Was würde ich in meinem Leben gern ändern?
Was macht mich unglücklich?
Welche Erlebnisse haben mein Leben verändert?
Setz dich hin, nimm dir Zeit dafür und schreib einfach drauf los.
Les dir das Geschriebene mit Abstand von ein, zwei Tagen noch mal durch oder lasse es dir von deinem Partner, deiner Partnerin Partner, einem guten Freund oder einer guten Freundin vorlesen. Daraus kommt in der Regel eine weitere Vertiefung des Themas und damit Selbsterkenntnis und Bewusstheit in Bezug auf mein Selbst.
Schreibübung Nummer 2:
In der Schreibübung Nummer 2 kannst du dich den gleichen Fragen widmen. Diese 2. Schreibübung kannst du zu den gleichen Themen machen. Sie hat einfach eine andere Form. Diese Übung nennt sich "automatisches Schreiben".
Die Idee des automatischen Schreibens ist, 10 oder 15 Minuten zu einem Thema in einem durchzuschreiben ohne den Stift abzusetzen. Auch wenn einem gerade nichts einfällt. Dann schreibe ich einfach, dass mir nichts einfällt.
In der Geschwindigkeit des automatischen Schreibens verliert unser denkendes Gehirn einige Kontrollfunktionen. Das heißt, es tauchen Dinge auf, die tiefer in unserem Unbewussten sitzen.
Wenn ich einen Text so automatisch geschrieben habe, ist es interessant, auf sich wiederholende Begriffe zu achten. Sie haben Bedeutung und so kann ich im Schreiben weiter dem nachgehen, was sich als bedeutungsvoll gezeigt hat.
Und hier noch das Link zu einer Erweiterung und Vertiefung: Schreibübung Teil 2