Schuld ist ein großes Thema, das im Leben vieler Menschen belastend ist. Und gleichzeitig gibt es viel Verwirrung darum, wie ich mich beim Thema Schuld orientieren kann. Oft wird die Schuld jemandem in die Schuhe geschoben, der keine Verantwortung trägt. Besonders häufig geschieht das in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Kommt es da zu einer Schuldumkehrung, bleibt oft ein Leben lang eine Verwirrung über Schuld und Unschuld. Aus dieser Verwirrung gibt man entweder anderen oder sich selbst schnell die Schuld, ohne sich klar zu sein, was Schuld in Beziehungen eigentlich ist. Schuld und Verantwortung hängen eng zusammen. Und Verantwortung ist wiederum an die Rollen gebunden, in denen wir mit jemand anderem in Beziehung sind.
Im heutigen Blogbeitrag möchte ich ein bisschen Klarheit und Orientierung zu dem Thema geben.

Jede Rolle beinhaltet eine Verantwortung
Jeder von uns findet sich in seinem Leben in verschiedenen Rollen. Als Freund, in der Arbeit, als Elternteil, im Beruf, als Gastgeber, als Reisender, als Mitglied einer Gruppe, ....
Jede Rolle, die wir haben, bringt ein eigenes Set an Verantwortungen. Werden wir diesen Verantwortungen nicht gerecht, bleiben wir anderen etwas schuldig. So simpel entsteht Schuld in Beziehungen.
Eltern und Kinder
In der Eltern - Kind Beziehung ist es die Rolle und Verantwortung des Erwachsenen, die Beziehung zum Kind liebevoll, unterstützend, mit Verständnis und Mitgefühl zu füllen. Es ist die Verantwortung des Erwachsenen, sich so zu verhalten, dass das Kind keine Angst vor ihm hat. Denn er ist die wichtigste Quelle von Sicherheit im Leben des Kindes. Das Kind kann die Beziehung von sich aus nicht gestalten. Es kann nur reagieren und sich anpassen. Die Eltern - Kind Beziehung ist die Einzige, in der Geben und Nehmen nicht ausgeglichen ist. Durch das, was das Kind nimmt, entsteht keine Schuld. Was das Kind bekommt, gibt es später wiederum an seine Kinder weiter, wenn es erwachsen ist.
Werden Erwachsene ihrer Rolle und der damit einher gehenden Verantwortung nicht gerecht, ist die Beziehung zwischen Eltern und Kindern konfliktreich. Und dann kommt es in der Regel zu einer Schuldumkehr - die Erwachsenen geben den Kindern die Schuld an Konflikten und die Kinder verinnerlichen dieses Schuldgefühl. Gleichzeitig entsteht dann in Kindern ein Gefühl von "So wie ich bin, bin ich nicht richtig und liebenswert". Und es entsteht ein niedriger Selbstwert. Dieses Gefühl und das Gefühl immer wieder in Beziehung schuld zu sein, bleibt dann oft ein ganzes Leben aufrecht.
Die einzige Verantwortung, die Kinder in der Beziehung zu ihren Eltern haben, betreffen alle die Teile, in denen sie sozusagen schon erwachsen sind. Das bedeutet, überall dort, wo sie schon eigenverantwortlich handeln können, da ist es gut, wenn sie das tun und auch zugesprochen bekommen. Denn durch eigenverantwortliches Handeln, in dem ein Kind auf positive und ermutigende Weise unterstützt wird, entsteht ein hoher Selbstwert und Selbstvertrauen. Diese positive Unterstützung funktioniert nur über Vertrauen und Mitgefühl und nie über Zwang, Urteil, Wertung, Kontrolle oder Anspruch. Letztere sind alle mit Angst verbunden und erzeugen das Gegenteil von dem, was Eltern erreichen wollen. Auf diese Weise wird wieder dem Kind eine Schuld zugesprochen, die dem Erwachsenen gehört.
In einer Beziehung, in der Kinder vor ihren Eltern Angst haben und sich nicht frei fühlen, sie selbst zu sein, entstehen immer Muster von Dominanz und Unterordnung. Und wenn ich in der Kindheit Beziehung so lerne, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich auch als Erwachsener Beziehungen in diesen Mustern von Dominanz und Unterordnung lebe.
Schuld in erwachsenen Beziehungen
In erwachsenen Beziehungen ist es zuallererst meine Verantwortung, mir klar zu sein, was zu meiner Rolle gehört und das auch zu erfüllen. Da gibt es immer eine klare Handlungsebene. Eine Werkstatt ist verantwortlich dafür, mein Auto ordentlich zu reparieren. Ich bin verantwortlich, mein Auto zum vereinbarten Zeitpunkt dort hinzubringen. Ich bin dafür verantwortlich, die Leistung mit Geld als Ausgleich zu bezahlen.
Auf der Handlungsebene braucht es also eine Einigkeit in Bezug auf die Verantwortlichkeiten und ein gemeinsames Verständnis, ob der Wert der Leistung angemessen ist. Dieses Prinzip kann man auf jeden Austausch anwenden.
Darüber hinaus gilt in erwachsenen Beziehungen als oberstes Prinzip, dass jeder erwachsene Mensch "für sich selbst verantwortlich ist."
Überall, wo dieses Prinzip von beiden Seiten klar gelebt wird, lebt man erwachsene Beziehungen. Jeder hält den anderen davon frei, Verantwortung für ihn zu übernehmen. Das ist das Fundament von Beziehungen, in denen sich die Partner auf Augenhöhe begegnen können. Denn in diesen Beziehungen entstehen keine Abhängigkeiten, die immer in Dominanz- und Unterordnungsmuster und in Konflikte führen.
In erwachsenen Beziehungen habe ich drei wesentliche Verantwortungen: Ich bin dafür verantwortlich, mich so zu zeigen wie ich bin, darauf zu achten, dass mein Verhalten meinem Partner gegenüber liebevoll ist und ganz wesentlich bin ich dafür verantwortlich, meine eigenen Grenzen zu wahren, zu mir zu stehen und meinem Partner nicht zu erlauben, mich zu verletzen, ohne dass ich mich schütze. Werden alle drei Anteile erfüllt, fühlt sich in Beziehung niemand als Opfer des anderen und wirkliche Begegnung, Nähe, Vertrauen und Sicherheit sind möglich. Anstelle von Dominanz und Unterordnung treten gegenseitiges Verständnis und Mitgefühl.
Kann ich diese Verantwortungen nicht ausfüllen, bleibe ich mir und meinem Partner etwas schuldig und daraus entstehen Konflikte. So entsteht Schuld in Paarbeziehungen.
Dieses Thema "Schuld in Paarbeziehungen" ist in sich so komplex, dass es einen sehr langen Blogbeitrag brauchen würde, um es im Detail zu erkunden und zu verstehen. Andere Blogbeiträge in der Rubrik Partnerschaft decken viele tiefere Einsichten dazu ab. Für diesen Beitrag möchte ich mich auf die Übersicht zum Thema Schuld beschränken.
Arbeitsbeziehungen und Rollenvermischung
Arbeitsbeziehungen sind als Rolle über die Verantwortungen definiert, die ich als Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder als Selbstständiger habe. Da diese Verantwortungen einer Sache dienen, ist es auch meine Verantwortung, diese Rolle nicht mit anderen Rollen zu vermischen.
Oft entstehen in der Arbeit private Beziehungen, die andere Verantwortungen mit sich bringen, als die Verantwortung, die ich gegenüber der Arbeit habe. Das, was ich der Arbeit schuldig bin und was ich dem Menschen auf privater Ebene schuldig bin, geraten dann leicht in Konflikt. Die Entscheidung zugunsten des einen führt leicht zu schuldhaftem Verhalten gegenüber dem anderen.
Daher ist es so schwierig, diese beiden Dinge miteinander zu vereinen. Sobald aus privaten Loyalitäten berufliche Entscheidungen getroffen werden, kommt es oft zu Konflikten im gesamten System. Der Fokus verschiebt sich dann weg von der Arbeit, Gerüchte kommen hoch und Vertrauen bei allen geht verloren, da diese Dinge dann im Kontext der Arbeit auch nicht offen ausgesprochen werden können.
Jede Beziehung, jede Verantwortung kommt also aus der Rolle, in der ich mich befinde. Wenn ich Geschäftsführer einer Firma bin und meine Frau ist bei mir angestellt, ist das eine unglaublich schwierige Situation. Denn in der Firma bin ich Vorgesetzter und zu Hause bin ich Partner. Wie gehe ich in der Firma damit um, dass ich die Beziehungsebene nicht verletze und woher weiß ich zu Hause, dass ich mit meinem Mann am Sofa sitze und nicht mit meinem Chef?
Diese Dinge werden sich mischen, weil es meine Verantwortung ist, in beiden Beziehungen der Rolle entsprechend zu handeln. Und die unterschiedlichen Rollen bedingen, dass ich fast zwangsläufig in der anderen Rolle Beziehung verletzen werde.
Daher ist es so wichtig, sich der Rollen und Verantwortungen in meinem Leben klar zu werden. Denn mit der Verantwortung bin ich etwas schuldig, dem ich gerecht werden muss, damit Beziehung gelingt.
Die Verantwortung mir selbst gegenüber
Beziehungen zwischen Erwachsenen sind nicht nur dadurch bestimmt, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist, sondern auch durch einen Ausgleich aus Geben und Nehmen.
Wenn ich meine Zeit, Präsenz und Aufmerksamkeit, mein Verständnis und Mitgefühl für jemanden zur Verfügung stelle, dann verlangt erwachsene Beziehung danach, dass dieser Mensch mir auch seine Zeit, Präsenz und Aufmerksamkeit, sein Verständnis und Mitgefühl zur Verfügung stellt. Nur dann ist die Beziehung in Ausgleich. Der andere ist es mir schuldig, wenn ich so in Beziehung gehe.
Entsteht dieser Ausgleich nicht, wird der, der etwas gegeben hat, verletzt. Er wird zu Recht wütend oder zieht sich aus der Beziehung zurück. Beziehungen, die diesen Ausgleich nicht beinhalten, führen wiederum in Abhängigkeitsmuster und Konflikte.
Die Verantwortung mir selbst gegenüber ist dann, mich in meiner Verletzung zu zeigen, dazu zu stehen, dass ich in Beziehung diesen Ausgleich brauche und zu schauen, ob mein Gegenüber diese Verantwortung auch tragen kann. Zu schauen, ob Mitgefühl und Verständnis möglich sind.
Wenn nicht, ist es meine Verantwortung mir gegenüber, dass ich meinen Teil der Verantwortung in der Beziehung nicht weiter einseitig einbringe.
Abschluss
Ich habe ein bisschen damit gehadert, ob ich diesen Beitrag schreibe, weil jeder Absatz so viel mehr Vertiefung bräuchte, um wirkliche Klarheit zum Thema Verantwortung und Schuld zu bringen. Und das Blogformat kann nicht so in die Tiefe gehen.
Gleichzeitig wollte ich die Grundprinzipien sichtbar machen und zeigen, wie die Rollen, in denen ich bin, verschiedene Verantwortungen mit sich bringen. Dabei wird sehr transparent - überall, wo im System diese Verantwortungen nicht wahrgenommen werden, sind Konflikte und Schuldthemen unvermeidlich und Klarheit verschwindet.
Übung:
Frage dich, in welchen Rollen du dich in deinem Leben befindest.
Werde dir bewusst, welche Verantwortungen sie mit sich bringen und mache dir so eine Art Landkarte deiner Rollen, auf der du auch erkennen kannst, ob es in Bereichen zu Rollenvermischungen kommt oder ob du vielleicht schon seit Langem Verantwortungen übernimmst, die in deiner Rolle gar nicht deine Verantwortungen sind.
Überall dort, wo Konflikte sind und du dich als Opfer einer Situation empfindest, geht es oft um diese Themen. Übernimmt jemand seine Verantwortung im System nicht, wird sie in der Regel von jemand anderem ausgeglichen, der dadurch nicht nur in Konflikt mit dem anderen kommt, sondern in seiner Rolle und deren Verantwortung immer geschwächt wird.
Mit dieser Klarheit ist es oft leichter, Entscheidungen zu treffen und jedem Erwachsenen seine Verantwortung zuzumuten. Denn dann hat man auch die Kraft, der Verantwortung sich selbst gegenüber gerecht zu werden.