Unser Gehirn ist eine Simulationsmaschine. Es kann sich Dinge vorstellen, die noch nicht passiert sind, und diese vorgestellten Situationen aus verschiedenen Perspektiven durchspielen. Je nachdem, mit welchem Gefühl ich auf ein Ereignis zugehe, entstehen verschiedene Bilder einer Situation in meinem Kopf. Durch diese Vorstellung entsteht dann leider oft eine Überzeugung, wie die zukünftige Situation sich anfühlen wird und dass ich wüsste, was passiert.
Die Sache hat nur einen großen Haken. Was ich erwarte, ist nichts anderes als eine subjektive Geschichte, die ich in meinem Kopf konstruiert habe. Und diese Geschichte steht einer guten Begegnung und Beziehung oft im Weg.
Nur eine Geschichte in meinem Kopf
Hoffnungen
Erwartungen sind bei genauer Betrachtung Vorstellungen, die mit der äußeren Wirklichkeit weniger zu tun haben, als mit meiner inneren. Sie sind Konzepte, die die Erwartung auslösen, dass sich die Situation dann auch so abspielt. Wenn sie das nicht tut, kommen wir automatisch in Konflikt zwischen Erwartung und Wirklichkeit.
Bringe ich eine unausgesprochene Erwartung in eine Situation und das, was ich erwartet habe, passiert nicht, bin ich enttäuscht und laste das oft meinem Gegenüber an. Der wusste von meiner Geschichte im Kopf aber gar nichts.
Im Wort Enttäuschung liegt der Begriff der Täuschung. Durch meine Erwartung täusche ich mich leicht selbst, weil ich nicht mehr im Moment und mit dem anderen präsent bin.
Ängste
Wenn ich erwarte, dass eine Situation sich nicht gut entwickelt, bringe ich mich schon vor der Situation in eine Stimmung, in der ich vom Schlimmsten ausgehe. So komme ich in dieser negativen Erwartungshaltung schon in sämtliche schlimmen Gefühle, vor denen ich Angst habe. Die Vorstellung fühlt sich dann so an, als würde mir mein Gegenüber diese Dinge tatsächlich antun.
Was für mein denkendes Gehirn eine Simulation der Zukunft ist, ist für meine Gefühle eine jetzt real erlebte Situation.
Verbinde ich mit einer Situation schon im Vorhinein so viele Ängste, werde ich in der realen Situation immer angespannt sein. Und damit programmiere ich sozusagen, dass ich sie negativ erleben werde. Denn die Anspannung wird mein Gegenüber unbewusst immer spüren, das Gefühl haben, dass ich ihm feindlich gesinnt bin und dadurch kommen wir leicht in Konflikt.
So prägt meine Vorstellung die Situation positiv oder negativ - noch bevor ich sie wirklich erlebe.
Ohne Erwartung auf eine Situation zugehen - präsent sein
Es ist gut und wichtig, dass unser Gehirn Simulationen zu unserer Zukunft macht. Aber es macht einen Unterschied, ob ich mir "bewusst" bin, dass ich in einer Simulation, in einer Geschichte bin und diese Geschichte auch ganz anders laufen könnte.
Wenn ich mir bewusst bin, dass meine Gefühle mich trügen können, dann kann ich schon sowohl bei besonders tollen, als auch bei sehr ängstlichen Gefühlen die Gegengefühle einladen. Als Möglichkeiten, die auch existieren. Damit öffne ich meinen Horizont wieder für einen größeren Ausschnitt der Wirklichkeit und komme gut in meine Mitte.
Dann ist mein Konzept darüber, wie die Situation sein wird, nicht mehr so eng. Meine Erwartungen werden kleiner und meine Präsenz wird größer.
Je entspannter und ruhiger ich auf eine Situation zugehen kann, umso mehr bin ich bei mir "und" beim anderen. Umso flexibler bin ich, eine Situation aus verschiedenen Perspektiven und Gefühlen erleben zu können.
Bewusstheit über meine Emotionalität
Durch dieses Öffnen werden die einseitigen positiven oder negativen Geschichten in meinem Kopf kleiner und werden durch wirkliche Begegnung ersetzt.
So komme ich in eine entspannte Präsenz, in der ich der Situation einfach mal begegne, ohne etwas Bestimmtes zu erwarten. Wo das gelingt, fühlt es sich richtig gut an, weil ich merke, dass ich mit mir und dem anderen dann gut verbunden bin.
Übung:
Achte eine Woche lang bewusst darauf, wo du dir besonders viele Geschichten darüber machst, was in einer bestimmten Situation geschehen wird. Wo deine Simulationen besonders stark laufen, wo du vielleicht sogar in einem Gedankenkarussell und im Grübeln gefangen bist.
Diese Dinge sind Anzeichen für Ängste und Stress, für eine Verengung und einen Verlust, dich zu spüren. Statt in den Geschichten zu bleiben und mit ihnen positive oder negative Erwartungen zu verknüpfen, schau, wie du dich bewusst über den Körper beruhigen und entspannen kannst.
Im zweiten Schritt gehe ganz bewusst in die Gegenvorstellung deiner Idealisierung oder Ängstlichkeit, damit du wieder mehr in deine Mitte findest. Damit findest du auch ein Gleichgewicht zwischen deiner inneren und der äußeren Wirklichkeit.
Im besten Fall kannst du dann loslassen, der Situation ohne Erwartung begegnen und dich präsent und verbunden fühlen.