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Wie Stress sich im Gehirn auswirkt

Unruhiger Schlaf, Gereiztheit, Übellaunigkeit, ich kann mich nicht richtig konzentrieren, merke mir nichts mehr, fühle mich überfordert und einsam, bin verspannt und kann nicht schlafen - alle diese Phänomene hängen mit Stress zusammen.


Oder zumindest mit einer bestimmten Form von Stress - nämlich mit Dauerstress, der immer dann entsteht, wenn ich mich über längere Zeit überlastet bin und mich nicht mehr nachhaltig entspannen, beruhigen und erholen kann.

Wie Stress sich im Gehirn auswirkt I Achtsamkeit Blog

Situationsbedingter Stress ist eine gute Sache. Er kann einen zusätzlichen Schub an Aufmerksamkeit, Energie oder Konzentration bringen, etwa beim Wettbewerbsport, beim Sprechen in der Öffentlichkeit oder bei einer herausfordernden Aufgabe.

Aber wenn Stress zu Dauerstress wird, beginnt er unser Gehirn und unsere Angstreaktionen nachhaltig zu verändern. Tatsächlich wirkt sich chronischer Stress nachhaltig auf die Größe des Gehirns, seine Struktur und seine Funktionen aus.


Was passiert bei Stress im Körper?


Die Stressreaktion im Körper beginnt mit der Aktivierung der sogenannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse. Auf dieser Achse passieren eine Reihe von Wechselwirkungen zwischen endokrinen Drüsen im Gehirn und in der Niere, die unsere körperliche Reaktion auf Stress steuern.


Wenn unser Gehirn eine stressige Situation erfasst, wird durch die Aktivierung dieser Achse sofort das Hormon Cortisol freigesetzt. Dieses Hormon versetzt unseren Körper rein biologisch in einen Kampf- oder Fluchtmodus und bereitet ihn auf eine körperliche Auseinandersetzung vor. Wir leben unsere Konflikte heute aber nicht mehr körperlich aus - was den Cortisolspiegel schnell und effektiv absenken würde. So bleibt das Cortisol im System und wir bleiben in der Angstreaktion stecken, auch wenn die Situation, die die uns Angst gemacht hat, schon lange vorbei ist.


Dass Cortisol im Körper ohne körperliches Ausagieren nur sehr langsam abgebaut wird, macht uns einige Probleme - vor allem dann, wenn wir öfters in Stresssituationen kommen. Baut sich Cortisol in uns aufgrund ständiger hoher Belastungen nicht mehr ab, kommen wir in einen Zustand von Dauerstress.


Was passiert bei Dauerstress im Gehirn?


Ein hoher Cortisolspiegel über einen längeren Zeitraum wirkt sich im Gehirn sehr negativ aus. Chronischer Stress erhöht das Aktivitätsniveau und die neuronalen Verbindungen in der Amygdala, dem Angstzentrum des Gehirns. Wir bleiben also mit Cortisol im Körper ständig in Angstgefühlen. Dinge, die uns sonst vielleicht nicht groß berühren, lösen schneller Ängste aus.


Gleichzeitig werden durch einen hohen Cortisolspiegel die elektrischen Signale in dem Teil unseres Gehirns schwächer, mit dem wir lernen und Erinnerungen formen - im sogenannten Hippocampus. Es kommt hier auch zu einer geringeren Produktion neuer Gehirnzellen. Das bedeutet, chronischer Stress macht es nachhaltig schwieriger zu lernen und sich an Dinge zu erinnern. Unser Gehirn schrumpft tatsächlich biologisch.


Zu einem Verlust synaptischer Verbindungen zwischen Neuronen und zum Schrumpfen kommt es auch im sogenannten präfrontalen Cortex. Der präfrontale Cortex ist das Zentrum der bewussten Emotionskontrolle in unserem Gehirn. Hier wird unser Verhalten, unsere Konzentrationsfähigkeit und unsere Entscheidungsfindungen gesteuert. Unser Urteilsvermögen und die bewusste Steuerung sozialer Interaktionen sind hier beheimatet. Im präfrontalen Cortex können wir Situationen bewusst bewerten und abwägen.


Wird dieser Teil unseres Gehirns geschwächt, haben wir Stress und starker Emotionalität kaum etwas entgegenzusetzen. Wir werden dann sehr schnell von der Angstreaktion in der Amygdala vereinnahmt. Oder anders formuliert - wir reagieren in der Situation sofort ängstlich, dünnhäutig, sind von kleinen Dingen schon überfordert und können nicht mehr in Ruhe abwägen, was in der Situation eine angemessene Reaktion ist.


Zurückfinden zu Klarheit, Präsenz und innerer Gelassenheit


Es gibt viele Möglichkeiten, Dauerstress und einem hohen Cortisolspiegel entgegenzuwirken. Sie hängen alle mit nachhaltiger Beruhigung und Entspannung zusammen. Zu den effektivsten Möglichkeiten gehören Bewegung und Meditation, die tiefes Atmen und Konzentration auf die Umwelt mit allen Sinnen mit sich bringen.


Bewegung senkt den Cortisolspiegel im Körper und Meditation stärkt den präfrontalen Cortex. Durch das Einüben, das Bewusstsein auf einen bewusst gewählten Fokus halten zu können, baut sich in der Meditation und im Achtsamen Yoga die sogenannte graue Masse um die Nervenbahnen im präfrontalen Cortex auf. Meditation wirkt hier wie ein Muskeltraining für den Teil unseres Gehirns, der der Gegenspieler der Angstreaktion ist. Die Signale werden durch die graue Masse um die Nervenbahnen wesentlich schneller verarbeitet und die neuronalen Verbindungen werden gestärkt.


Je stärker die Aktivität des präfrontalen Cortex, desto effektiver wird das Angstzentrum im Gehirn wieder auf ein gesundes Maß herunterreguliert und ich bekomme wieder die Möglichkeit, Entscheidungen in Ruhe und mit Bedacht zu treffen. Ich kann die Angstreaktion noch wahrnehmen, aber sie wird wesentlich kleiner und bestimmt nicht mehr alleinig mein Verhalten.


20 Minuten Achtsamkeitsmeditation am Tag reduziert die Aktivität der Amygdala bereits nach einer Woche. Bleibe ich länger in der Praxis der Achtsamkeitsmeditation, verstärkt sich die funktionale Verbindung zwischen präfrontalem Cortex und der Amygdala. Dadurch findet das Gehirn in ein gutes Gleichgewicht zwischen Rationalität und Emotionalität.


Je mehr ich meditiere, desto weniger stark empfinde ich emotionale Lebensereignisse als belastend. Ich kann in der gleichen Situation gelassener, besonnener und ruhiger reagieren. Ist das Angstzentrum zu aktiv, bestimmt meine innere Angstwahrnehmung meine Realitätswahrnehmung. Finde ich wieder in ein Gleichgewicht zwischen Hippocampus und Amygdala, kommt es zu einer ausgewogenen Wahrnehmung der inneren und äußeren Realität. Ich bin also optimal mit mir selbst und der Welt verbunden.


So reduziert Meditation ganz konkret Stress und Ängste.


Bewegung und Meditation verringern nicht nur Stress. Sinkt der Cortisolspiegel, vergrößert sich auch wieder der Hippocampus, die Gedächtnisleistung und die Fähigkeit sich zu konzentrieren und zu lernen verbessern sich deutlich.

 

Übung:


Wer neugierig geworden ist, kann unter diesem Link mal eine kurze Achtsamkeitsmeditation ausprobieren.


Umfangreich werden die Fähigkeiten zur Stressreduktion auf der Basis von Achtsamkeit im 8-wöchigen MBSR Kurs vermittelt. Die Wirkung im Gehirn ist dabei nur ein Aspekt der Stressreaktion.


Der MBSR Kurs vermittelt ein ganzheitliches Bild davon, wie ich Stress in einer anderen Haltung begegnen kann.

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