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Wie werde ich in Beziehung sichtbar?

Ich kenne aus meinem eigenen Leben das Gefühl, wie unsichtbar zu sein - vor allem in Konflikten. Nicht zu verstehen, warum meine Bedürfnisse in Beziehungen nicht berücksichtigt werden. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass mich andere nicht sehen können, weil ich mich gar nicht sichtbar mache.

Wie werde ich in Beziehung sichtbar? I Achtsamkeit Blog

Interessanterweise gibt es die Angst, sich mit seinen wirklichen Bedürfnissen zu zeigen, sowohl bei dem, der sich in Konflikten eher entzieht, wie auch bei dem, der in Konflikten dominant ist.


Und "beide Seiten" erleben dabei, dass sie im Konflikt unsichtbar bleiben.


Bevor ich darüber schreibe, wie ich sichtbar werden kann, eine kleine Ausführung dazu, wie ich überhaupt unsichtbar werde.


Unterordnung


Wer sich in Konflikten unterordnet, klein macht und entzieht, hat Angst vor Wut und Aggression beim Gegenüber. Das Zurückziehen dient dem Verstecken. Meine Gefühle und Bedürfnisse zeige ich dann nicht mehr offen. Ich bin eher damit beschäftigt, mich zu verteidigen, zu rechtfertigen und mich zurückzuziehen.


Dass mein Gegenüber mich und meine Bedürfnisse nicht sehen kann, wenn ich sie nicht zeige und dass ich daher auf diesem Weg gar nicht in Beziehung gehe, das fällt dabei aus der Wahrnehmung.


Denn wie soll sich mein Gegenüber auf mich beziehen können, wenn ich mich nicht zeige?


Fühlt man sich in Konflikten nicht gesehen, zieht man sich weiter zurück und wird dadurch noch unsichtbarer.


Das ist einer von zwei Kreisläufen, die dazu führen können, dass man sich in Beziehungen nicht gesehen fühlt.


Der zweite Kreislauf ist, dass ich klar sage, was ich will, aber mein Gegenüber ignoriert mich. Und ich kann einfach nicht begreifen, warum das so ist.


Wenn das passiert, macht das wütend, aggressiv und dominant. Auf dieser Seite ist meine Grundangst nicht, dass mein Gegenüber wütend ist, sondern dass er sich entzieht.


Beide Ängste sind Prägungen aus der Kindheit, die uns in Konflikten ohnmächtig fühlen lassen.


Dominanz


Da die Angst der dominanten Seite ist, vom anderen ohnehin nicht gesehen zu werden, da der sich ohnehin immer entzieht, entsteht hier immer das Gefühl, dass sie dem, was sie will, besonderen Nachdruck verleihen muss. Wenn sie nicht laut genug ist - wenn sie nicht kämpft, dann hat sie sowieso keine Chance.


Dadurch wird diese Seite sehr dominant im Ausdruck dessen, was sie will. Ich habe ja schon so laut gesagt, was ich will, wie laut muss er denn noch werden, ist das subjektive Gefühl. Doch genau dadurch "erzeugt" diese Seite das sich Entziehen beim Gegenüber.


Auch wenn der Druck, der von dieser Seite ausgeht, öfter dazu führt, dass sich das Gegenüber fügt, wird er sich dabei innerlich entziehen. Und so geht der Konfliktkreislauf weiter.


Auch auf dieser Seite gibt es die Angst, sich mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen und mit seiner Verletzlichkeit zu zeigen und dabei von sich zu reden.


Also sage der Dominante lieber, was er vom anderen will, statt zu zeigen, "wie es ihm geht." Er greift an, statt über sich zu reden.


Und so wird auch er unsichtbar.


Flucht und Kampf


Diese Konfliktmuster entsprechen den Angstmustern von Flucht und Kampf. Sie finden sich in allen unseren Beziehungen wieder. In unseren Paarbeziehungen, in unseren Freundschaften, in unseren Beziehungen mit Kollegen und Vorgesetzten.


Diese beiden Muster finden sich deswegen überall wieder, weil sie in jeder Kultur gleich sind. Sie sind biologisch in uns verankert.


So bemühen sich beide, in Beziehung und Konflikten sichtbar zu werden. Aber beide kommunizieren auf eine Art, die sie unsichtbar bleiben lässt.


Je wütender der eine wird, umso mehr entzieht sich der andere. Und je mehr der sich entzieht, desto wütender wird wiederum das Gegenüber. So kommt man in Konflikten in eine Endlosschleife sich vertiefender Unsichtbarkeit.


Die Frage ist also, wie kann ich ganz praktisch in Beziehung sichtbar werden, ohne mich unterzuordnen und ohne zu kämpfen?


Urteil, Wertung, Vorwurf, Anspruch


Überall, wo ich mich nicht mit meinen Gefühlen zeige, komme ich bei Konflikten in Urteil, Wertung, Vorwurf und Anspruch. Auf diesem Weg erzeuge ich ein ausgewachsenes "weil du" Drama, in dem jeder mit dem Finger auf den anderen zeigt und überzeugt davon ist, dass alles wunderbar wäre, wenn der andere sich nur anders verhalten würde.


Man redet immer von oder über den anderen. Aber keiner spricht von sich.


Jeder Vorwurf, jedes Urteil, jede Wertung und jeder Anspruch Beziehung trennt.


Gehe ich in einen Konflikt mit einem Vorwurf, wird mein Gegenüber sofort anfangen, sich zu rechtfertigen und sich zu verteidigen. Denn mein Fokus ist bei ihm und seiner folgerichtig auch. Statt um mich geht es dann also die ganze Zeit um mein Gegenüber, was mich wahnsinnig macht.


Mit dem, "wie es mir geht", werde ich über einen Vorwurf nie sichtbar.


Finde ich in kein anderes Kommunikationsmuster, fühlen sich nach dem Konflikt beide allein und unverstanden. Die Nähe und Sicherheit, die ich mir in Beziehung wünsche, verschwindet dann Stück für Stück. Wir werden uns fremd und reden nicht mehr miteinander.


Denn ich mache so immer wieder die Erfahrung, dass ich meinen Konflikt mit meinem Gegenüber nicht lösen und reparieren kann. Was bleibt, sind Enttäuschung und Kränkung.


Welche Art von Kommunikation führt also in Beziehung?


Ich möchte hier ganz vereinfacht ein Prinzip der sogenannten "Gewaltfreien Kommunikation" vorstellen. Diese Form der Kommunikation macht etwas sehr Interessantes, das ganz praktisch helfen kann, in Beziehungen und Konflikten sichtbar zu werden.


Die Kommunikation läuft durch folgende Stufen:


1) Ich beschreibe die Situation, in der wir uns befinden, so objektiv wie ein Fotoapparat. Eine Beschreibung der Situation, die ganz sachlich die Tatsachen der Situation zusammenfasst.


In dieser Beschreibung gibt es kein Urteil, keine Wertung, keinen Vorwurf und keinen Anspruch. Mein Gegenüber wird zustimmen oder vielleicht eine Kleinigkeit ergänzen. Aber er wird sich nicht angegriffen fühlen.


Dieser Schritt bezieht sich also ganz auf die "gemeinsame objektive Wirklichkeit".


2) Im zweiten Schritt, mache ich genau das Gegenteil. Hier werde ich subjektiv. Ich sage, wie es mir mit der Situation geht. Dabei rede ich von mir. Ich sage, so geht es mir mit der Situation, diese Gefühle löst das in mir aus. So empfinde ich. So erlebe ich das.


Je besser mir das gelingt, desto sichtbarer werde ich. Denn mein Gegenüber kann mit seiner Aufmerksamkeit ganz bei mir sein, wenn ich nur über mich rede.


Ich rede von mir hat eine ganz andere Wirkung als Ich rede von dir.


Hier ein Vergleich, wie die zwei unterschiedlichen Wege klingen:


"Ich finde, du bist fürchterlich rücksichtslos"


Ich erlaube mir in dem Satz ein Urteil darüber, wie der andere ist und erhebe den Anspruch zu wissen, aus welchem Motiv heraus der andere handelt. Und natürlich bleibt dem Gegenüber nichts anderes übrig, als eine lange Liste aufzuzählen, wo er überall Rücksicht auf mich genommen hat und dass er das nicht auf sich sitzen lassen kann.


Sobald ein Vorwurf oder eine Interpretation der Motive des anderen kommen, geht der Fokus meines Gegenübers sofort zu sich und es kommen Verteidigung und Rechtfertigung. Je heikler das Thema, desto schneller passiert das.


Hier die Wirkung, die es hat, wenn ich von mir rede:


"Ich fühle mich überhaupt nicht gesehen und allein, wenn du so handelst. Ich werde dann traurig und resigniert und ziehe mich zurück. Und das möchte ich nicht. Ich möchte mich dir nahe fühlen. Aber wenn die Situation so ist, fühle ich mich völlig hilflos und weiß nicht mehr, wie ich das dann machen kann."


Durch diese Sätze ist meine Aufmerksamkeit und die Aufmerksamkeit meines Gegenübers bei mir.


Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Gegenüber mich so sehen und mit mir mitfühlen kann, erhöht sich dramatisch. Denn es findet kein einziger Angriff statt, der zu Verteidigung oder Rechtfertigung führen kann.


So nehme ich mir den Raum, mich zu zeigen.


Empathie kann nur entstehen, wenn keiner den anderen angreift, sondern nur, wenn sich jeder in seiner Verletztheit zeigen darf.


Bei jedem Urteil und jeder Wertung gebe ich dem anderen ein Signal. "So wie du bist, bist du nicht richtig. So mag ich dich nicht." Und das ist immer verletzend. Wenn ich von mir rede, entsteht diese Verletzung nicht.


Habe ich mich gezeigt und von mir geredet, kann das Gespräch zu Punkt drei übergehen.


3) Wie hast du es erlebt?


Das ist die Frage, die ich jetzt meinem Gegenüber stellen kann. Und im besten Fall gelingt es meinem Gegenüber jetzt auch subjektiv von sich zu reden. Ist mir das in meinem Teil gelungen, ist das die beste Einladung für mein Gegenüber es auch so zu machen.


So werden wir im besten Fall beide sichtbar. Daraus entsteht die Qualität, mitfühlend miteinander umgehen zu können.


Danach können wir zu Punkt 4 übergehen


4) Wenn unser beider Gefühle und Bedürfnisse gleich wichtig sind und wir jetzt wissen, wie sich jeder fühlt - wie können wir dann gemeinsam gut mit Situation umgehen? So, dass es für beide paßt.


Verständnis und Mitgefühl statt Kampf


Konflikte, in denen gekämpft wird, erzeugen scheinbar Gewinner und Verlierer. Doch wenn man genauer hinschaut, verlieren beide. Beide fühlen sich dann allein und missverstanden und verlieren die Freude daran, mit dem anderen Zeit zu verbringen.


Jeder nicht reparierte Konflikte trennt nachhaltig. Denn Stück für Stück wächst mit jedem nicht reparierten Konflikt die Distanz. Das Vertrauen in den anderen und das Gefühl, in seiner Nähe sicher zu sein, werden geringer. Und mit diesem Prozess verschwinden Nähe und Intimität aus jeder Beziehung.


Daher ist es so wichtig, dass sich beide zeigen und beide gesehen und gefühlt werden können.

 

Übung:


Wie in allen Übungen in meinem Blog geht es darum, das hier Gelesene in die Erfahrung zu bringen. Zu schauen, was passiert, wenn ich auf diese Weise kommuniziere und mich traue, mich zu zeigen.


Ich muss dabei nicht mit meinen engsten Beziehungen anfangen, in denen oft die schwierigsten Konflikte sind. Ich kann diese Form von Kommunikation in allen Situationen üben, in den mir bewusst wird, dass ich mich nicht zeige. In allen Situationen, in denen ich das Gefühl habe, mich zu verstecken oder kämpfen zu müssen.


Jedes Mal, wenn die Kommunikation auf dem hier vorgeschlagenen Weg zu einem guten Ergebnis führt, wird das in dem Teil unseres Gehirns abgespeichert, der für unsere Gefühle zuständig ist. So lernt unser Gehirn Stück für Stück, dass diese Form der Kommunikation dazu führt, dass ich besser in Beziehung komme und weniger Konflikte erlebe.


Je öfter ich diese Erfahrung wiederhole, desto mehr wird diese Art zu kommunizieren zu einer neuen Gewohnheit - zu einem Teil meiner Persönlichkeit.


Auf diesem Weg kann ich ganz pragmatisch über Kommunikation tief sitzende alte Konfliktmuster auflösen. Jeder kleine Erfolg bringt mich dabei besser mit mir selbst und anderen in Beziehung - und ich werde endlich sichtbar.

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